Die gesandte der Köingin Tess 2
und durch. Ich konnte nichts unternehmen. All meine magischen Fähigkeiten waren nutzlos.
Wir schlossen rasch zur schwankenden Strandläufer auf, denn das flache Wasser behinderte uns nicht. »Enterhaken bereit!«, brüllte Smitty, sobald wir nah genug waren, um die Rufe von der Strandläufer zu hören, auf deren Deck die Männer an die Reling eilten, um die Haken abzuwehren. Ich suchte nach den vertrauten Gesichtern und sah die Entschlossenheit darin. Seeleute mit blanken Klingen bewachten die Luken. Jeck war unter ihnen. Sein Gesicht war ausdruckslos, und er sah mich nicht einmal an. Angst und die Scham, dass er mich so leicht benutzt hatte, schnürten mir die Brust zu.
»Alle Mann steuerbords an den Rumpf!«, bellte Smitty, und ich zerrte an meinen Fesseln. »Nicht du, Duncan«, fügte er barsch hinzu. »Hiergeblieben. Du spielst den Botenjungen.«
Verzweifelt versuchte ich mich zu befreien, ich wand und krümmte mich und tat alles, um die Fesseln an irgendeiner Stelle so zu lockern, dass ich etwas tun konnte. Meine steifen Muskeln protestierten, und meine Schulter schmerzte. Doch ich schaffte es nur, meine Position so zu ändern, dass ich immerhin besser sehen konnte. Meine Schwester war an Bord dieses Schiffes. Ich war für sie verantwortlich, und ich hatte sie bereits zwei Mal verloren.
Panik brannte in meinem Magen. Mein Herzschlag beschleunigte sich, denn die Männer wurden immer lauter. Ich erstarrte, als ich Gift in meinem Körper kribbeln spürte. Verängstigt blickte ich zu Jeck hinüber und fragte mich, ob er mich aus irgendeinem Grund aus dieser Entfernung beschossen haben mochte. Seine Miene war grimmig, und er spannte erwartungsvoll jeden Muskel an, doch er beachtete mich überhaupt nicht.
Schwindel stieg in mir auf, und mein kalter, Sonne und Wasser ausgesetzter Körper begann zu zittern. Ich spürte, dass ich aschfahl wurde, als mir klar wurde, was hier geschah. Ich hatte keinerlei magische Kraft herangezogen, doch das Gift, das im heilenden Gewebe eingeschlossen war, war durch den schnelleren Blutfluss in meine Adern gespült worden. Gott steh mir bei. Wird das jetzt jedes Mal geschehen, wenn ich Angst habe?
Lautes Platschen im Wasser und Kapitän Borletts Gebrüll zogen meinen verängstigten Blick an, und ich atmete flach, um das Schwindelgefühl zu dämpfen. Wir waren so nah, dass der Schatten der Takelage der Strandläufer auf mich fiel und mir noch kälter wurde. »Haken werfen!«, schrie Smitty. Er stand neben dem hocherfreuten Kapitän Rylan und dem mürrischen Duncan am Steuer.
Mit einem schreckenerregenden Brüllen schleuderten die Piraten ihre Enterhaken.
Ich bäumte mich gegen meine Fesseln auf, musste aber hilflos zusehen, wie Kapitän Borlett seine Männer an die Reling schickte, wo sie an den Tauen sägten oder versuchten, die Haken loszustemmen.
»Bringt uns ran!«, schrie Smitty. Die Seile wurden bis zu den größten und stärksten Piraten durchgereicht, die ächzend und stöhnend ihre Muskeln anspannten.
»Entern! Nehmt sie euch!«, rief Smitty, und Männer schwangen an Seilen von den Stagen hinüber und fielen aufs Deck der Strandläufer. Ich sah entsetzt zu, wie offenbar mindestens hundert Mann an Bord der Strandläufer schwärmten. Alle brüllten und schwangen ihre Waffen. Die beiden Schiffe rückten langsam zusammen und trafen sich mit einem Krachen und Stöhnen, bei dem mir das Herz bis zum Hals schlug.
Salzwasser brannte an meinen Handgelenken, und sie wurden glitschig, als ich mit einem Aufschrei die Haut zerriss. Ich spuckte mir Haare aus dem Mund und warf den Kopf herum, um sie mir aus den Augen zu schaffen. »Jeck!«, schrie ich, als ich ihn entdeckte. Er überragte die meisten Männer, und seine schwarze Uniform war ein dunkler Fleck zwischen der nackten Haut und der vorwiegend roten Kleidung der Piraten. Wieder wand ich mich und schaffte es, mich auf die Knie zu erheben, obwohl meine Arme jetzt grausam nach hinten verzerrt waren und meine Beine so wehtaten, dass ich den Atem anhielt. Er musste sie schützen. Es war mir gleich, ob ich mein Königreich verlor, ehe es wirklich mir gehörte. Sie war meine Schwester.
Mein überwältigender Drang nach Freiheit erlahmte in fassungslosem Staunen, als ich erkannte, dass Jeck die angreifenden Seeleute mit einer unheimlichen Gleichförmigkeit tötete. Mit weit schwingendem Schwert vollführte er immer wieder die gleichen vier Bewegungen. Schlag, Parieren, Schlag, Schlag – und der Mann hauchte sein Leben auf dem Deck
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