Die gesandte der Köingin Tess 2
aus, während Jeck dem nächsten entgegentrat.
Er war umringt von Männern, die sich nicht mehr rührten, deren Blut Lachen auf dem Deck bildete oder die sich zitternd und stöhnend aus seiner Reichweite schleppten. Das Deck schimmerte rot zu seinen Füßen. Sein bärtiges Gesicht war leer, die Augen unter dem schwarzen Haar nicht zu erkennen. Ich konnte sehen, wie sein Kiefer sich bei jedem Schlag spannte und wieder löste. Die geistlose Leere in seinem Ausdruck und die wilde Kraft seiner Bewegungen bildeten einen schockierenden Gegensatz.
Ich hatte schon von Männern gehört, die vom Tod besessen waren, doch ich hatte so etwas noch nie beobachtet. Und genau so sah er aus – ein Vollstrecker des Todes stand in einer schwarz-goldenen Uniform auf meinem Schiff und kämpfte mit unermüdlichen Muskeln und in völliger Stille, die jeden in Angst versetzte, auf den er den Blick richtete. Ich beobachtete, wie er einen weiteren Piraten niederstach, ohne den geringsten Gedanken daran, dass der Mann gelebt und geatmet hatte und sich nun nie wieder eines neuen Tages erfreuen würde. Der Angreifer fiel, schrie vor Qual und Angst seinen letzten Atem hinaus, und Jeck ging zum nächsten weiter.
Mir war schlecht, und ich senkte den Kopf. Ich konnte ja nicht behaupten, dass es falsch von ihm sei. Ich konnte es aber auch nicht richtig finden. Dumme, dumme Männer, die es nicht anders kannten und damit jene, die andere Möglichkeiten wüssten, dazu zwangen, in gleicher Weise zu reagieren. Meine Schwester brauchte Schutz, und ich wusste, dass ich das Gleiche tun würde wie Jeck, wenn ich ihr damit das Leben retten könnte.
Doch während ich in meinen Seilen hing und darum kämpfte, von dem Gift in meinem Körper nicht das Bewusstsein zu verlieren, ließ der Schlachtenlärm mich doch wieder den Kopf heben. Ich beobachtete mit leicht verschwommenem Blick, wie drei Männer darum kämpften, eine kleine Luke am Bug zu verteidigen. Schwarze Punkte trieben vor meinen Augen herum, als einer von ihnen fiel. Kapitän Rylan brüllte vom sicheren Deck seines eigenen Schiffes etwas hinüber, und drei weitere Piraten warfen sich ins Getümmel und hielten auf die Luke zu.
Ich holte drei Mal tief Luft, denn die Muskeln in meinen Armen und Beinen begannen zu zittern, als ich erkannte, was hier los war. Kapitän Rylan hatte soeben seine drei besten Männer zu der Luke geschickt. Contessa.
Der Schrecken überwältigte mich, mein rasender Puls ließ das Gift in mir brennen wie geschmolzenes Metall. »Jeck! Die Luke!«, schrie ich, als ein weiterer Costenopolier Seemann zu Boden ging. Der letzte wurde sogleich von den drei Piraten überwältigt. »Jeck!«, brüllte ich, doch meine Stimme ging im Geschrei der Männer und dem Knattern der Segel unter.
Er hörte mich nicht. Mit weit schwingendem Schwert fällte er einen weiteren Mann und holte nur ein Mal Luft, ehe er sich dem nächsten zuwandte.
Mein panischer Blick schoss zu der Luke. Zwei Piraten standen nun davor, mit blanken Schwertern, doch ohne in den Kampf einzugreifen. Sie waren schon unten. Die Piraten waren unter Deck vorgedrungen!
Ich versuchte aufzustehen und schaffte es nicht. Angestachelt von Verzweiflung und Frustration bäumte ich mich mit aller Kraft gegen die Fesseln auf. Schmerz fuhr mir die Arme hinauf in den Kopf. Ich fiel zurück auf die Knie und weinte beinahe. Ich konnte nichts tun. Jeck konnte mich nicht hören.
»Jeck!«, schrie ich erneut. Das Gift schwoll in meinen Adern an, weil mein Herz vor Angst und Zorn pochte.
Gift, dachte ich plötzlich. Jeck hörte mich nicht, aber vielleicht konnte ich ihn in seinen Gedanken warnen. Die Angst um meine Schwester ließ mich den Kopf wieder heben. Mir stockte der Atem. Ich stand jetzt schon am Rand einer Ohnmacht. Wenn ich versuchte, meine Magie zu gebrauchen, würde ich vollends das Bewusstsein verlieren oder meinen Körper mit so viel Gift überfluten, dass ich starb. Ich lauschte kurz meinen Gefühlen und stellte fest, dass es mir gleichgültig war.
Ängstlich schloss ich die Augen und versuchte den Lärm schnappender Segel und die Schreie der Männer zu ignorieren. Ich atmete drei Mal tief durch und griff auf das Gift zu. Vom Gefühl der plötzlichen Entrücktheit drehte sich mir der Kopf. Ich musste Jecks Gedanken finden. Ich musste ihn warnen, dass die Piraten unter Deck waren.
Starker Schwindel schoss wie eine Woge aus der Dunkelheit hervor und warf sich auf mich. Ich rang nach Luft und bekam zu wenig. Meine Hände
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