Die Geschichte der Deutschen
Naturwissenschaften und erklärt der staunenden Welt, dass die Erde keine Scheibe, sondern eine Kugel sei. Was ihm eine Vorladung der päpstlichen Inquisition beschert. Nur ein Widerruf rettet ihn vor dem Scheiterhaufen. Schon vorher spricht der Mönch Martin Luther von der »Freiheit des Christenmenschen«. Aus der Sicht der römischen Amtskirche eine ungeheure Provokation, die Papst Leo X. mit dem Kirchenbann zu ahnden sucht. Die Neuzeit hebt an. Und immer noch ist die Kirche ein Machtfaktor, der zwischen Gut und Böse, Krieg und Frieden, Tod oder Leben zu entscheiden vermag.
Mit Schrecken sehen wir, wie viel Gewalt das Leben begleitet. Ein Grund dafür ist der Glaube. Der Sieg in einem Krieg oder in einer Fehde bleibt ein unschlagbares Zeugnis dafür, dass Gott geurteilt hat. Weil die Entscheidung in einem Kampf, aufgrund einer göttlichen Fügung gefallen ist, bleibt der Sieger moralisch unangreifbar. Das ist im »finsteren« Mittelalter so, und daran wird sich jahrhundertelang kaum etwas ändern.
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Die Karolinger einen das Frankenreich – und teilen es wieder
Aber kehren wir zurück zu den Anfängen des Frühmittelalters. Nach den Goten bestimmen nun die Franken die europäische Geschichte. Die Franken sind ein Sammelbegriff für verschiedene germanische Völkerschaften, die ursprünglich zwischen Rhein und Weser siedeln und schon seit Mitte des 3. Jahrhunderts immer wieder in das Römische Reich eindringen. Der erste berühmte Franke ist der Merowinger Chlodwig, der von 466 bis 511 n. Chr. lebt. Er gilt als der Gründer des fränkischen Reiches: Sein Heer erobert Gallien. Die alten römischen Provinzmetropolen Köln und Trier fallen in die Hände der Franken. Die Vorfahren |29| der Schwaben, die Alemannen, werden besiegt. Und Burgund verleibt er sich ein, indem er die Königstochter Chrodechilde zur Gemahlin nimmt. Die überredet ihn auch, sich taufen zu lassen. Zur Residenz seines Reiches wählt Chlodwig Paris. Auch das ist ein Hinweis darauf, dass es sich hier keineswegs um eine rein deutsche Angelegenheit handelt.
Unter den Merowingern liegt die wahre Macht nicht bei den Königen, sondern in den Händen der so genannten Hausmeier. Diese verwalten, regieren das Reich und vererben ihr Amt an die Söhne. Pippin der Ältere ist der erste Hausmeier. Karl Martell, Sohn Pippins des Mittleren und nach dem französischen Wort für »Hammer« benannt, ist einer der kriegerischsten. Er fügt den Arabern 732 in der Schlacht von Poitiers eine bittere Niederlage zu und bewahrt so das Frankenreich vor der muslimischen Eroberung. Schließlich stürzen die Hausmeier die Merowinger und setzen sich selbst die Königskrone auf. Wieder ist es ein Pippin, dieses Mal der Jüngere, der den Neuanfang wagt. Er lässt sich drei Jahre nach der Geburt seines ältesten Sohnes zum König ausrufen. Damit haben die Franken wieder einen Herrscher, der die Macht nicht seinen Politikern überlässt, sondern selbst ausübt. Der neue König gehört zum Geschlecht der Karolinger. Unter seinem Sohn Karl dem Großen erreicht das fränkische Reich dann eine Ausdehnung, die es in den Augen der Zeitgenossen zum Nachfolger des Römischen Imperiums macht.
Vor allem die Geschichte Frankreichs, Deutschlands und Italiens wird von seiner Politik, seinen militärischen Erfolgen und der Neuorganisation der Reichsverwaltung auf Jahrhunderte hinaus bestimmt. Karl gibt diesen Völkern bei allen Konflikten und unterschiedlichen Interessen der einzelnen Regionalfürsten das Gefühl von Größe und Gemeinsamkeit. Das Zentrum der Macht, das seit den großen Tagen Roms stets im Süden des Kontinents gelegen hat, verschiebt sich in die Mitte und in den Westen. Das politische Gesicht Europas gewinnt im karolingischen Reich seine künftigen Konturen.
Ist es wirklich nur ein Zufall, dass sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Kernländer des einstigen karolingischen Reiches wieder zusammenfinden, um eine neue Europäische Gemeinschaft zu gründen? Wohl kaum. Unzählige Kriege und ununterbrochene Machtkämpfe haben die Völker seit dem Ende von Karls Regierungszeit heimgesucht. Aber der Gedanke einer gemeinsamen Geschichte und Kultur ging trotz Hass und Gier, trotz aller Staatsgrenzen und dem nationalen Taumel der Neuzeit nie ganz unter. Die Welt hat sich seit Karl dem Großen mit immer größerer Geschwindigkeit tiefgreifend verändert. Trotzdem schlägt unter seiner Herrschaft die Geburtsstunde des Europas, in dem wir |30| heute
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