Die Geschichte der Deutschen
dem Krieg ist sie geschwächt. Am 25. Februar 1947 wird auf Anordnung der Alliierten das Land Preußen aufgelöst.
Der durch die totale Kriegsniederlage und die Politik der Alliierten erzwungene Bruch mit den alten Eliten hat entscheidend zur positiven Entwicklung der deutschen Nachkriegsdemokratie beigetragen. So hart bald wieder die Auseinandersetzung zwischen den politischen Lagern und Parteien wird, so polemisch die Wahlkämpfe sind – die nationalistischen und rassistischen Hetzreden der Weimarer Tage und der Hitler-Diktatur gehören der Vergangenheit an.
Vieles allerdings bleibt noch bis Ende der fünfziger Jahre rückwärtsgewandt. Ein Grund ist sicher darin zu sehen, dass die meisten führenden deutschen Politiker der Bundesrepublik im Kaiserreich aufgewachsen und von den Weimarer Jahren politisch geprägt worden sind. Der erste Bundespräsident, Theodor Heuss, saß bereits im Reichstag und stimmte am 5. März 1933 für das Ermächtigungsgesetz. Der erste Bundeskanzler, Konrad Adenauer, wurde 1876 geboren und amtierte seit 1917 als Oberbürgermeister von Köln. Der erste bedeutende Oppositionsführer im Bundestag ist der Sozialdemokrat Kurt Schumacher, 1895 geboren, war er seit 1924 Landtagsabgeordneter und kehrte nach einer zwölfjährigen KZ-Haft in die Politik zurück. Einer der mächtigsten Männer in den Frühjahren der Bundesrepublik ist der Staatssekretär im Kanzleramt, Hans Globke. Als enger Berater Adenauers nimmt er maßgeblichen Einfluss auf die Personalentscheidungen, die der Kanzler und Außenminister treffen muss. Globke gehörte 1935 zu den Juristen, die die Nürnberger Rassengesetze formulierten. In den ersten Regierungen der Bundesrepublik sitzen einige Minister, die im Dritten Reich nicht nur Mitläufer gewesen sind.
Das Demokratieverständnis dieser Männer der ersten Stunde ist ein anderes als das der englischen und amerikanischen Besatzer, die auf eine lange demokratische Tradition ihrer Länder zurückblicken können. Die Rolle der Parteien, der Presse, der Justiz oder die Erziehung der Jugend – da herrschen in der jungen Bundesrepublik noch Vorstellungen, die von einem altväterlich-autoritären Staatsverständnis zeugen. Aber im Gegensatz zu den gesellschaftlichen Mächten, die in der Weimarer Republik das Übergewicht gewannen, sind sie geprägt von den gewaltsamen Erfahrungen der Hitler-Diktatur – und daher gewillt, Demokraten zu werden.
|260| In den Kriegsjahren planen die Alliierten noch, Deutschland zu zerstückeln. Der amerikanische Finanzminister Henry Morgenthau schlägt sogar vor, es in ein Agrarland umzuwandeln. So ganz unverständlich sind solche Gedanken nicht: Nie mehr soll dieses Volk für seine Nachbarn zur Gefahr werden. Denn kaum ein europäisches Land hat nicht unter der deutschen Wehrmacht gelitten. Und als dann sowjetische, englische und amerikanische Einheiten die Vernichtungs und Konzentrationslager in Auschwitz, Sachsenhausen oder Buchenwald erreichen, schockieren solche Bilder die Welt: Zu Skeletten abgemagerte, hohläugige Gestalten taumeln den Befreiern entgegen, Leichenberge liegen in den Lagerstraßen und Baracken. Die Realität erweist sich schlimmer als jede Fantasie.
Deutschland wird also in vier Besatzungszonen aufgeteilt. In Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen sitzen die Engländer. In Hessen, Württemberg, Bayern und im Stadtstaat Bremen die Amerikaner. Unter Frankreichs Herrschaft kommen Württemberg-Hohenzollern, Rheinland-Pfalz und Baden. Die Russen richten sich östlich der Elbe, in Mecklenburg, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ein. Das Saarland wird abgetrennt; seine Zukunft soll eine französische sein. Die ehemalige Hauptstadt Berlin wird ebenfalls viergeteilt. Pommern, Ostpreußen und Schlesien kommen unter polnische Verwaltung und der Streit um diese jenseits der Oder-Neiße-Linie liegenden Gebiete wird jahrelang das politische Klima in der Bundesrepublik und gegenüber Polen vergiften. In Potsdam einigen sich die »Großen Drei« auf eine gemeinsame Verwaltung der Zonen. Diese soll über den in Berlin sitzenden Kontrollrat laufen, wobei allerdings jede Besatzungsmacht in ihrem Bereich autonom entscheiden kann.
Was hat die Alliierten schließlich doch noch bewogen, Deutschland nicht völlig zu zerschlagen? Hintergrund dieses Wandels ist die sich schon abzeichnende Konkurrenz der Siegermächte. Stalin will ein von den Siegern möglichst einheitlich verwaltetes Deutschland, um der
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