Die Geschichte der Deutschen
zurück ins Private.
Die ersten ernsthaften Versuche, sich mit der Vergangenheit auseinander zu setzen, versickern bald. Die Deutschen verdrängen. In den Standardwerken für die Geschichtsstudenten ist der Erste Weltkrieg immer noch ein »Verteidigungskrieg«. In den Schulen hört der Geschichtsunterricht meist vor dem Jahr 1933 auf. Hitler, so erfahren die Schüler, war die Folge eines schrecklichen Versailler Friedens und der von den Weimarer Regierungen bewiesenen Unfähigkeit, etwas gegen die Arbeitslosigkeit zu unternehmen. Die aus dem Exil zurückkehrenden Emigranten werden nicht willkommen geheißen. Im Gegenteil, in den Zeitungen ist nicht selten zu lesen, sie hätten während des Krieges bequem im Ausland gelebt, während man selbst den Schrecken von Bomben und Kriegseinsatz ausgeliefert gewesen sei. Die Bücher von Heinrich Mann, Lion Feuchtwanger oder Alfred Döblin verschwinden Ende der vierziger Jahre aus den Regalen der westdeutschen Buchhandlungen. Die Deutschen sehen sich als Opfer. Der Bombenkrieg gegen ihre Städte, der Verlust der Ostprovinzen, die Not des Nachkriegsalltags oder die »Willkür« der Besatzungsmächte werden laut beklagt. Von ihrer Täterrolle wollen viele nichts wissen.
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Deutschland wird geteilt
Es gärt zwischen den Besatzungsmächten. Aber irgendwie rauft man sich immer wieder zusammen, bis schließlich der Streit im Berliner Kontrollrat eskaliert. |263| Stalin registriert mit wachsendem Ärger, dass die Westmächte unter der Führung Amerikas eine Neuorientierung ihrer Deutschlandpolitik ins Auge fassen. Er fordert zwar ebenfalls eine zentrale Verwaltung, wehrt sich aber gegen eine deutsche Regierung, die aus allgemeinen und freien Wahlen hervorgeht. Unbeeindruckt davon gehen die Westmächte jetzt eigene Wege. In ihren Zonen werden die Länder wieder errichtet, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz werden neu gegründet. Die Amerikaner haben bereits 1945 Ministerpräsidenten ernannt, die gemeinsam über die Belange der Länder beraten und die Anordnungen der Besatzungsmacht durchführen. Jetzt dürfen die Deutschen ihre Landtage selbst wählen.
Das geht nicht ohne politische Parteien. Seit Sommer 1945 wird in allen Zonen über deren Gründung nachgedacht. Die SPD findet in Hannover ihre erste Anlaufstelle. Dort organisiert Kurt Schumacher den Neuaufbau. In Nordrhein-Westfalen sammeln sich ehemalige Zentrumspolitiker. Bald übernimmt der Ex-Oberbürgermeister von Köln, Konrad Adenauer, den Vorsitz der Christlich Demokratischen Union (CDU), die an die Stelle des Zentrums tritt. Die CDU in Berlin wird von Jakob Kaiser geleitet, an der Spitze der Berliner SPD steht Ernst Reuter. In Bayern bildet sich ebenfalls eine christliche Partei, die CSU. Sie wird ab 1949 im Bundestag eine Fraktionsgemeinschaft mit der CDU eingehen. Ganz ähnlich hielten es im Reichstag der Weimarer Republik das Zentrum und die Bayerische Volkspartei. Im Südwesten und in Hessen formieren sich die Liberalen zur Freien Demokratischen Partei (FDP). Aus ihren Reihen kommt der erste Bundespräsident, Theodor Heuss. Am linken und am rechten Rand entstehen weitere Parteien, die in den Anfangsjahren der Bundesrepublik noch eine gewisse Rolle spielen. Ihre Wähler wenden sich aber bald der CDU oder der SPD zu. Ein Sammelbecken alter Nationalsozialisten ist die Sozialistische Reichspartei, die im Oktober 1952 verboten wird. Im August 1956 ereilt die KPD das gleiche Schicksal. Die Parteigründungen sind ein erster Schritt in Richtung Demokratie. Die Alliierten unterstützen den Prozess und setzen deutliche Zeichen.
Am 6. September 1946 erklärt der amerikanische Außenminister James F. Byrnes im Stuttgarter Staatstheater in einer aufsehenerregenden Rede, Washington werde sich für die Bildung einer zentralen deutschen Verwaltung einsetzen. Es ist der erste wichtige Durchbruch, der drei Jahre später zur Gründung der Bundesrepublik führt.
Am 5. Juni 1947 stellt der neue amerikanische Außenminister George C. Marshall dann ein Programm »gegen Hunger, Armut, Verzweiflung und Chaos« |264| in Aussicht. Der »Marshall-Plan« ist ein Startschuss. Amerika wird mit seiner Wirtschaftshilfe einen wichtigen Beitrag zum Wiederaufbau Deutschlands leisten. In Bonn beginnen die Parteien auf Anweisung der Westalliierten im Parlamentarischen Rat eine Verfassung auszuarbeiten. Präsident der Versammlung ist Konrad Adenauer. In Frankfurt trifft sich der Wirtschaftsrat, der Vorschläge für die
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