Die Geschichte der Deutschen
Arbeitskollektive, der Gewerkschaften, der Kultur – das alles ist nicht neu. Walter Ulbricht wird 1971 entmachtet, sein Nachfolger ist Erich Honecker.
Erich Honecker (1912–1994)
Der gelernte Dachdecker, geboren in Neukirchen an der Saar, ist seit 1929 Mitglied der KPD. Nach der Machtübernahme der Nazis geht er in den Untergrund und wird 1935 verhaftet. Von 1937 bis 1945 sitzt er im Zuchthaus Bautzen. Unmittelbar nach Kriegsende beginnt Honeckers politische Karriere in der Sowjetzone. Obwohl er nicht zu den aus Moskau eingeflogenen Exilanten gehört, wird er bald von Walter Ulbricht gefördert. 1946 übernimmt er den Vorsitz der Freien Deutschen Jugend (FDJ). Wie viele DDR-Funktionäre besucht er die Parteihochschule in Moskau und ist ab 1958 Mitglied des Politbüros und Sekretär des Zentralkomitees der SED. In dieser Funktion beauftragt ihn die Partei mit der Organisation des Baus der Berliner Mauer. Schon zu dieser Zeit intrigiert Honecker bei seinen Gesprächen mit sowjetischen Politikern gegen seinen Mentor Ulbricht. Dieser verliert durch seine Versuche, die Verhandlungen zwischen den beiden Supermächten zu stören, den Rückhalt der Moskauer Führung. Nach seinem Sturz wird Honecker der mächtigste Mann in der SED-Hierarchie.
Die Hoffnung weiter Teile der Bevölkerung, dass unter Honecker sowohl in der Wirtschafts- wie in der Kulturpolitik etwas liberalere Wege eingeschlagen werden könnten, erfüllen sich nicht. Spätestens als der Liedermacher Wolf Biermann 1976 nach einem Konzert im Westen nicht mehr nach Ostberlin zurückreisen |285| darf und ihm die DDR-Behörden über Nacht die Staatsbürgerschaft entziehen, ist allen klar, dass Honecker nicht minder betonköpfig regiert wie sein Vorgänger Ulbricht. Viele Künstler und Intellektuelle vom Schriftsteller Jurek Becker bis zum Schauspieler Manfred Krug oder bis zur Punk-Röhre Nina Hagen verlassen das Land. Die immer schwieriger werdende Wirtschaftslage in der DDR zwingt Honecker jedoch, sich in den Verhandlungen mit der Bundesrepublik geschmeidiger zu zeigen. Er braucht die Kredite aus Bonn, um einen Zusammenbruch der DDR-Volkswirtschaft aufzuhalten. Als 1980 die Gewerkschaft Solidarnosc in Polen die Staatsmacht herausfordert, gehört Honecker zu den Hardlinern des Warschauer Pakts. Er fordert ein militärisches Eingreifen des östlichen Bündnisses. Die alternde Führungsriege um den Generalsekretär und seine Frau Margot erkennt weder die Zeichen der Zeit noch die Signalwirkung, die ab 1985 von Gorbatschows Reformen in der Sowjetunion ausgeht.
Honecker versucht die DDR gegen alle Liberalisierungstendenzen abzuschotten und läutet damit ihren Untergang ein. 1990, nach dem Zusammenbruch des Regimes, kommt er in Untersuchungshaft. Die russische Botschaft lässt ihn in ein Hospital nach Moskau bringen. Aus Sorge vor einer Auslieferung an die Bundesrepublik flieht Honecker in die chilenische Botschaft, wird aber von der Regierung in Santiago nach einem Bonner Ultimatum zurück nach Berlin gebracht. Einen Prozess, in dem er sich für den Schießbefehl an der innerdeutschen Grenze verantworten soll, stellt die deutsche Justiz wegen der schlechten Gesundheit des Angeklagten ein. Honecker siedelt 1993 nach Chile über, wo der an Krebs Erkrankte am 29. Mai 1994 stirbt.
Das Ende der DDR ist durch die weltpolitischen Umstände Ende der achtziger Jahre forciert worden. Aber Überlebenschancen hat der Staat ohnedies nicht gehabt. Damals kann die DDR ihren Bankrott nur noch durch die Milliardenkredite aus der Bundesrepublik verdecken. Das »Westfernsehen« bringt Abend für Abend die glitzernde Welt des Konsums und der zwar oft oberflächlichen, aber doch offenen gesellschaftlichen Debatte der Bundesrepublik in die Wohnstuben der DDR-Bürger. Keine bombastische Gründungsfeier, bei der fröhliche, blau gekleidete FDJ-Kolonnen und im preußischen Exerzierschritt vorbeimarschierende Volksarmee-Einheiten den vergreisten SED-Führern auf der Prominentenbühne zuwinken, kann diese Bilder wettmachen. Die Idee des Sozialismus ist von den Machthabern selbst gründlich zerstört worden.
Der westdeutsche Kanzler Willy Brandt tritt im Frühjahr 1974 zurück. Der Anlass |286| ist banal – in seiner unmittelbaren Umgebung ist der DDR-Spion Günter Guillaume enttarnt worden. Aber es sind vor allem die innenpolitischen Auseinandersetzungen, die den Kanzler resignieren lassen. Sein Nachfolger Helmut Schmidt setzt die Ost- und Deutschland-Politik fort und erweist sich als
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