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Die Geschichte der Deutschen

Die Geschichte der Deutschen

Titel: Die Geschichte der Deutschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm von Sternburg
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Kanzleramt gekommen.
    Im Oktober 1969 erlebt die Bundesrepublik die längst überfällige politische Wende. Die Sozialdemokraten und die sich neu formierende linksliberale FDP bilden eine Koalition. Willy Brandt wird Kanzler und der Freidemokrat Walter Scheel Außenminister. Der neue Kanzler nimmt in seiner Regierungserklärung die weit verbreitete Stimmung im Land auf: »Mehr Demokratie wagen.« Bildungs- und Sozialpolitik stehen im Zentrum der innenpolitischen Entscheidungen der neuen Regierung. Gesamtschulen, Universitätsreformen und Mitbestimmung sind das Ergebnis. Die neue Mehrheit bringt Bewegung in die Ost- und Deutschland-Politik. In Erfurt und Kassel kommt es zu direkten Gesprächen zwischen Willy Brandt und dem DDR-Ministerpräsidenten Willi Stoph. Als die Erfurter auf dem Marktplatz nach »Willy« rufen, meinen sie den westdeutschen Kanzler, der ans Fenster treten soll, weil dieser den ersten Schritt getan hat und ihnen mehr Durchlässigkeit der deutsch-deutschen Grenze ermöglicht.
    |283| Im August 1970 schließen Bonn und Moskau einen Gewaltverzichtsvertrag. Im Dezember unterzeichnen Bonn und Warschau einen Vertrag, in dem die Oder-Neiße-Linie, also die Zugehörigkeit Pommerns, Ostpreußens und Schlesiens zu Polen, akzeptiert wird. Wenig später wird das Vier-Mächte-Abkommen über Berlin verabschiedet, das den freien Zugang nach Westberlin garantiert. Die beiden deutschen Staaten schließen Passierscheinabkommen ab, die den Westberlinern Besuche bei ihren Verwandten im Osten der Stadt erlauben. In Bonn und Ostberlin richten die DDR und die BRD ständige Vertretungen ein. Wirtschaftsabkommen sollen der DDR helfen, ihre bedrückende ökonomische Lage zu verbessern. Im Juni 1973 wird der Grundlagenvertrag abgeschlossen, der im Prinzip die Existenz von zwei deutschen Staaten anerkennt. Beide deutsche Staaten werden Mitglied der Vereinten Nationen in New York. All diese Entscheidungen stoßen zwar auf den heftigen Widerstand der Unionsparteien, die Deutschen aber freuen sich einfach, dass ihre Nachbarn jenseits der Mauer wieder ein Stück weit näher rücken. Im Rückblick wird deutlich, dass Willy Brandts Politik der »Annäherung durch Entspannung« einen wichtigen Beitrag zur 20 Jahre später erfolgten Wiedervereinigung geleistet hat.

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Wir sind das Volk!
    Ganz anders verlaufen die Entwicklungen in der DDR. Sie bleibt nach der Staatsgründung fest eingebunden in das von der Sowjetunion geführte Militärbündnis des »Warschauer Paktes«. Wie schlecht die Stimmung »drüben« ist, haben schon der Aufstand vom 17. Juni 1953 und der Bau der Berliner Mauer von 1961 bewiesen. Entscheidend dafür ist die Wirtschaftslage. Die sozialistische Planwirtschaft vermag in keiner Phase das »Wunder« zu vollbringen, das Ludwig Erhards soziale Markwirtschaft – mit der tatkräftigen Wirtschaftshilfe aus den USA – auf den Weg gebracht hat. So bleibt das Leben der Menschen in der DDR ausgefüllt mit dem »Organisieren« ihres Alltags. Haushaltsgeräte, Baumaterial, Ersatzteile für das Auto oder andere Maschinen, alles ist Mangelware. Während die halbe Bundesrepublik in Kleinwagen in den sonnigen Süden rollt, stellen die DDR-Bürger Anträge für einen Trabant und warten geduldig manchmal einige Jahre, bis sie diesen endlich in Empfang nehmen können. Die Unterdrückung der Pressefreiheit, die sich im Laufe der Jahrzehnte wie eine Krake ausbreitende Staatssicherheit, die die Bürger zu Denunzianten machen will, die |284| Korruption der Partei- und Staatsführung – der sozialistische Schein hält der Wirklichkeit nicht stand: Die Menschen fühlen sich gefangen in einem Land, das ihnen sogar noch vorschreiben will, welche Länder sie bereisen dürfen und welche nicht. Sie antworten mit Flucht oder Resignation.
    Die Geschichte der DDR verläuft nicht gleichmäßig. Es gibt Versuche des Neuanfangs in der Wirtschaftspolitik, »Tauwetter«-Perioden für die Literatur und die Künste, in denen diejenigen wie Stefan Heym, Robert Havemann, Christa Wolf oder Wolf Biermann aufatmen können, weil die DDR-Führung ihren kritischen Stimmen für kurze Zeit einmal nicht den Mund verbietet. Aber Freiheit will immer mehr und alle diese »Öffnungen« werden rigoros gestoppt, sobald sie die Alleinherrschaft der Partei in Frage stellen. Es bleibt bis zum Ende dieses Staates dabei: Auch nach dem Untergang des Nationalsozialismus leben seine Bürger in einer Diktatur. Die Massenorganisation der Jugend, der

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