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Die Geschichte der Deutschen

Die Geschichte der Deutschen

Titel: Die Geschichte der Deutschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm von Sternburg
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auf deutschen Bühnen meistgespielte Dramatiker, ist ein Kantianer, dessen Figuren die Zuschauer moralisch und politisch herausfordern. Später wird der Idealismus vielfach mit platten patriotischen oder kriegerischen Forderungen gleichgesetzt. Der Glaube junger Menschen an die Ideale der Freiheit, ihr vaterländischer Enthusiasmus oder ihre Sehnsucht nach nationaler Gemeinschaft führen allzu häufig zu einem schrecklichen Erwachen. Nicht weil der Versuch, unsere Existenz aus Idealen und Ideen abzuleiten, falsch ist, sind Millionen auf den Schlachtfeldern geblieben, sondern weil Kants Sittengesetze und zivile Hoffnungen von den gewalttätigen Verführern missbraucht worden sind.
    Die Aufklärung ist die Antwort der europäischen Intelligenz auf die Krise des Absolutismus. Dieser gibt sich in seiner letzten Phase zwar aufgeklärt, aber die Wirklichkeit des gesellschaftlichen und politischen Alltags kennzeichnen Erstarrung und Verfall. Die Armut der breiten Massen wächst in nahezu allen absolutistisch regierten Staaten ebenso wie deren Verschuldung. Die neuen Ideen und Kräfte sind trotz aller Unterdrückung nicht mehr zum Schweigen zu bringen.
    1772 geschieht jenseits des Atlantiks etwas Außergewöhnliches: Die amerikanischen Siedler empören sich gegen die Steuerpolitik ihrer Kolonialherren in London |114| . Es kommt zum Unabhängigkeitskrieg, und 1775 veröffentlichen die Rebellen eine von Thomas Jefferson verfasste Unabhängigkeits- und Menschenrechtserklärung. In ihr lösen sich 13 nordamerikanische Staaten von England. Die Erklärung verkündet Sensationen: Alle Menschen sind gleich geschaffen und von ihrem Schöpfer mit unveräußerlichen Rechten wie Leben, Freiheit und Streben nach Glückseligkeit ausgestattet. Um diese Rechte zu sichern bestehen Regierungen. Diese aber sind ohne die Zustimmung ihrer Untertanen machtlos. Werden die Menschenrechte verletzt, kann das Volk die Regierung abwählen und eine neue bestellen. Unglaublich! So etwas hatte es bisher noch nicht gegeben. Dies sind die Grundlagen, auf denen heute noch unsere modernen Demokratien beruhen.
    Um ihrem Konkurrenten England im Kampf um die Vormachtstellung in Europa zu schaden, liefert die französische Monarchie Waffen an die Revolutionäre in Nordamerika. Indirekt schaufelt sie sich damit ihr eigenes Grab. Die Ideen der Aufständischen werden in Frankreich heftig diskutiert und liefern das theoretische Fundament der Revolution von 1789. Ein teures Unternehmen ist es außerdem. Frankreichs Staatsfinanzen sind ohnehin überbelastet, jetzt droht ein Staatsbankrott. 1787 ist König Ludwig XVI. gezwungen, die seit über 150 Jahren nicht mehr tagende Notabelnversammlung einzuberufen. In ihr sitzen Vertreter aus dem vermögenden Adel und der gebildeten Geistlichkeit. Der König hofft mit ihrer Hilfe eine Steuerreform durchsetzen zu können, die den Staat saniert. Da die Steuerpläne aber sogar den Adel zur Kasse bitten, stoßen sie auf Ablehnung. Der König muss die »Generalstände« mobilisieren. Neben den Angehörigen des Hochadels und des Klerus sitzen in dieser Versammlung auch Angehörige des so genannten Dritten Standes, die aus dem niederen Adel oder dem begüterten Bürgertum stammen. Deren Macht wächst in den kommenden Wochen sprunghaft an. Der Dritte Stand wird zum Motor der Revolution. Die Menschen haben das Vertrauen in die Regierenden verloren. Sie haben genug von der ewigen Bevormundung und Ausbeutung. Auflehnung liegt in der Luft. Der Historiker Alexis Tocqueville bringt es auf den Punkt: »Die Franzosen begnügten sich nicht mehr mit dem Wunsch, dass ihre Angelegenheiten besser betrieben würden, sie wollten sie selbst in die Hand nehmen.«
    Dann entlädt sich der Unmut, die über die Jahrhunderte hinweg angestaute Wut auf die absolutistischen Herrscher, die letztlich nur das eigene Wohl und nicht das ihrer Untertanen im Sinn haben. »Wir lassen uns von unseren Plätzen nur durch die Macht der Bajonette vertreiben!«, hat Graf Mirabeau, der den Widerstand organisiert, gerufen. Jetzt nehmen ihn die Massen beim Wort. Der Sturm der Bastille am heutigen französischen Nationalfeiertag, dem 14. Juli, gerät |115| zur blutigen Abrechnung mit der Obrigkeit, an dessen Ende die Gefängnisbesatzung massakriert und der aufgespießte Kopf des Kommandanten als Siegessymbol durch die Pariser Straßen getragen wird. Radikale Kräfte gewinnen unter der kurzen Herrschaft der Jakobiner und ihres Führers, des Rechtsanwalts Robespierre, bald die

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