Die Geschichte der Deutschen
bilden die Grundlage für die Entwicklung des preußischen Militarismus. Schon Honoré de Mirabeau, Präsident der französischen Nationalversammlung in den Revolutionstagen von 1789/91, formuliert den treffenden Satz: »Andere Staaten besitzen eine Armee, Preußen ist eine Armee.« Bis 1945 spielt die Armee in der deutschen Gesellschaft eine entscheidende und verhängnisvolle politische Rolle. Friedrichs so enthusiastisch gefeierter Durchhaltewillen in den Schlesischen Kriegen ist im Grunde nichts anderes gewesen, als der verzweifelte Versuch sich dem durch eigene Leichtfertigkeit drohenden Sturz in den Abgrund zu entziehen. Im Ersten und im Zweiten Weltkrieg werden die militärischen und politischen deutschen Führungseliten sich immer wieder auf diese Haltung des preußischen Königs berufen, um die unabwendbare Niederlage unter hohen Blutopfern um Jahre hinauszuzögern. Für viele Generationen deutscher Väter und Lehrer wird die Erziehung des jungen Friedrich, die ihn seelisch zweifellos tief verstört hat, ebenfalls zum Vorbild. Hat der Soldatenkönig nicht bewiesen, dass ein verweichlichter Flötenspieler und schöngeistiger Tänzer nur hart angefasst werden muss, damit er dann im Erwachsenenleben seine Pflicht tut?
Friedrich der Große ist ein Herrscher des aufgeklärten Absolutismus gewesen. Sein Handeln und sein Denken bleibt der Zeit verhaftet, in der er lebt. Er ist also nicht verantwortlich dafür zu machen, dass die Nachgeborenen sein Lebenswerk und seinen Charakter für ihre eigenen nationalistischen Ideologien idealisieren und instrumentalisieren. Ein Herrschervorbild ist dieser preußische |109| König aber sicherlich nicht. Nur wer glaubt, dass der Machtzweck jedes Mittel heiligt, kann ein Verehrer dieses letztlich skrupellosen Politikers sein. Jedenfalls haben die vielen Legenden von den angeblichen »preußischen Tugenden«– Pflichtbewusstsein, Ehrlichkeit, Pünktlichkeit, Tapferkeit – seiner Eliten in Adel und Beamtenschaft den Deutschen nicht gut getan. Am Ende verneigt sich dieses Preußen auch vor dem Emporkömmling Hitler. Der letzte Generalfeldmarschall der Hohenzollern, Paul von Hindenburg, ernennt als Reichspräsident im Januar 1933 Hitler zum Reichskanzler. Die Offiziere der deutschen Wehrmacht, die sich immer wieder auf ihre friderizianische Tradition berufen, folgen ihrem Oberbefehlshaber und Führer fast widerspruchslos in einen verbrecherischen Vernichtungskrieg. Ehrenvoll haben die wenigen deutschen Männer und Frauen gehandelt, die in den Jahren des Dritten Reiches unter Einsatz ihres Lebens versucht haben, Deutschland vor der Barbarei zu bewahren oder den Verbrechen des Dritten Reiches eine Ende zu machen. Darunter sind auch preußische Adlige und Bewunderer Friedrichs des Großen gewesen.
In den letzten Lebensjahren Friedrichs II. erreicht Preußen einen ersten Höhepunkt. Mit der Eroberung Schlesiens katapultiert sich der Staat an die Spitze der deutschen Länder. Nur noch Österreich kann mithalten und versucht in den kommenden Jahrzehnten Preußens Einfluss auf die deutsche Politik in Grenzen zu halten. Friedrichs Nachfolger verspielen aber auch ohne Zutun der Habsburger vieles von dem, was für Preußen erreicht worden ist. Friedrich Wilhelm II., sein Neffe, liebt die Frauen mehr als sein Land. Ihm folgt Friedrich Wilhelm III., der 43 Jahre lang die preußischen Geschicke zu lenken versucht. Ein zögerlicher, ängstlicher Herrscher in für Preußen schweren Zeiten.
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Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit!
Nach dem Tod Friedrichs des Großen rücken ganz andere Orte und Geschehnisse in das Zentrum der europäischen und deutschen Geschichte. Am 14. Juli 1789, der Preußenkönig ist drei Jahre vorher gestorben, stürmt der Pariser Pöbel die Bastille, das Staatsgefängnis der französischen Hauptstadt. Es ist das Signal für den Beginn einer historischen Wende: Die Französische Revolution beendet die über Jahrhunderte währende Herrschaft des Adels in Frankreich. Der Ruf |110| »Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit« erschüttert die europäischen Throne und Fürstenhäuser. Ein epochales Ereignis findet statt, denn es wird nicht nur die Geschichte des 19., sondern auch die des 20. Jahrhunderts beeinflussen.
Die Französische Revolution ist nicht vom Himmel gefallen. Ihr vorausgegangen ist das Zeitalter der Aufklärung. Zunächst sind es Wissenschaft und Kunst, Philosophie und Technologie, die neue Perspektiven eröffnen. Dann beginnen die
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