Die Geschichte der Deutschen
Einsamkeit, die Grenzen, die ihr als Frau ihre Zeit immer noch unumstößlich setzt, lassen viele ihrer aufgeklärten Träume und Ideale zerbrechen. Dem eigenen Judentum steht sie ablehnend gegenüber, empfindet es als »Geburtsmakel«, lässt sich später taufen, ohne damit etwa die gewünschte und geforderte gesellschaftliche Anerkennung als Frau zu finden. Geblieben sind viele hundert Briefe, die noch |117| einmal zeigen, wie weltoffen, menschenliebend, geistig interessiert Rahel Varnhagen gewesen ist. Sie stirbt ein Jahr nach Goethes Tod. Dieser von ihr so hoch Verehrte sagt einmal über Rahel: »Sie ist stark in ihren Empfindungen und doch leicht in ihrer Äußerung. Jenes gibt ihr eine hohe Bedeutung, dies macht sie angenehm.«
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Napoleon und die Folgen
Napoleon hat fast ganz Europa umgekrempelt. In Frankreich beseitigt er im November 1799 mit einem Staatsstreich das regierende Direktorium. Er wird erster Konsul auf zehn Jahre, dann Konsul auf Lebenszeit. 1804 lässt er sich zum Kaiser krönen. Er hat die Revolution beerbt und die Herrschaft ihrer immer korrupter agierenden Vertreter beendet. Dennoch kehrt er nicht zu den alten feudalen Verhältnissen zurück. Im Gegenteil, Napoleon modernisiert die Verwaltung und das Rechtssystem und vor allem: Er saniert die französischen Staatsfinanzen.
Seinen politischen Aufstieg verdankt der Korse der steilen militärischen Karriere, die er in den Revolutionsjahren durchläuft. Als General erringt er grandiose Siege in Italien, das er für Frankreich erobert, und später in Österreich. Zupackend, als Militärstratege seinen Gegnern weit überlegen, umgibt ihn bald die Aura der Unbesiegbarkeit. Sie wird ihm zum Sprungbrett für seine politischen Erfolge.
Die Kaiser- und Königshäuser in England, Deutschland, Spanien und Russland reagieren entsetzt auf die neuen Verhältnisse in Frankreich. Allerdings endet ihr Feldzug gegen die Revolutionäre erbärmlich. Die französischen Volksheere kämpfen enthusiastisch für die neu errungenen Freiheiten. Sie werden geführt von jungen Generälen, die verwegen und ohne Rücksicht auf veraltete Lehren der Militärstrategie vorgehen. 1792 zieht sich das preußisch-österreichische Koalitionsheer in der Kanonade von Valmy, einem Ort in der Champagne, ohne Gegenwehr zurück. Die Monarchien akzeptieren einen Friedensvertrag mit den verhassten Revolutionären in Paris.
Napoleon versteht es in den kommenden Jahren glänzend das französische Heer zu führen, und er eilt von einem militärischen Triumph zum anderen. Preußen, Österreich und Russland werden in zahlreichen Schlachten immer wieder geschlagen und müssen demütigende Friedensbedingungen hinnehmen. Napoleon wird zum Herrn über Europa. Nur England kann er nicht besiegen. |118| Alle Versuche, die Insel durch Diplomatie oder Krieg seinen Plänen gefügig zu machen, scheitern. Die Kontinentalsperre, die Londons Handelsverkehr unterbinden und den Inselstaat aushungern soll, kann den Feind nicht in die Knie zwingen. Admiral Nelson vernichtet bei Trafalgar Frankreichs Flotte. Damit gehören die Meere der Seemacht England.
Auf dem Festland ist Napoleon erfolgreicher. Besonders für die Politik in Deutschland bleibt sein Wille zur Eroberung nicht ohne Konsequenzen. Die Nachrichten von den revolutionären Ereignissen in Frankreich werden von den Deutschen zunächst mit großer Begeisterung aufgenommen. So entsetzt die Monarchen und Fürsten sind, die Mehrzahl der Bürger und Bauern jubelt. Paris wird zur Pilgerstätte vieler deutscher Liberaler. In Mainz rufen der Weltreisende Georg Forster und andere eine Republik aus. Schon in den späten Jahren des Absolutismus haben die Dichter und Denker das feudale Herrschersystem verurteilt, das auch auf den deutschen Ländern lastet. Lessing nennt sein Theaterstück Emilia Galotti ebenso ein »Trauerspiel« wie Friedrich Schiller sein Drama Kabale und Liebe. Beide Schauspiele entstehen vor dem Ausbruch der Französischen Revolution und klagen Untaten des Feudaladels an. Mit dem Beginn des Terrors und den Berichten über die immer schneller arbeitende Guillotine kippt die Begeisterung vielerorts in Skepsis, Ablehnung und Erschrecken um. Der Dichter Christoph Martin Wieland wird in Weimar bald verächtlich vom »Sturm einer rachschnaubenden Volksmenge« sprechen und Goethe meint noch 1824 in einem Gespräch, er sei »kein Freund der Französischen Revolution«.
Napoleons Auftritt in Deutschland trifft also auf eine
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