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Die Geschichte der Deutschen

Die Geschichte der Deutschen

Titel: Die Geschichte der Deutschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm von Sternburg
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zwiespältige Stimmungslage. Die Patrioten, die im geschlagenen Preußen oder am Wiener Hof ihre Wunden lecken, sehen in ihm nur den verhassten Eroberer. Die rheinischen Liberalen dagegen begrüßen den »Code Napoleon«, ein auch in einigen deutschen Ländern eingeführtes Rechtssystem, das viele Errungenschaften der Revolution festschreibt: die Gleichheit vor dem Gesetz etwa oder die Trennung von Staat und Kirche. Da man am Rhein die Preußen ohnehin nicht besonders schätzt, ist man zunächst gar nicht unzufrieden mit den neuen Verhältnissen.
    Napoleon hat das linke Rheinufer an Frankreich angegliedert. Zum Ausgleich für die Verluste der bislang dort regierenden Fürsten wird Deutschlands Landkarte grundlegend verändert. Bis auf das Kurfürstentum Mainz werden die geistlichen Fürstentümer säkularisiert, also dem Besitz der Kirche entzogen. Die meisten Reichsstädte verlieren ihre Unabhängigkeit und müssen sich der Landeshoheit |119| unterwerfen. All diese Gebiete werden den Territorialstaaten zugeschlagen. Bayern, Württemberg, Baden, Hessen-Darmstadt und Preußen sind die Gewinner. Im Süden entstehen geschlossene Mittelstaaten, die in der Zeit nach Napoleon vergeblich versuchen werden, zwischen Preußen und Österreich ein kraftvolles »Drittes Deutschland« zu bilden.
    Am 16. Juli 1806 unterzeichnen 16 deutsche Staaten in Paris die Gründungsakte des Rheinbundes. Seine Mitglieder erklären ihren Austritt aus dem alten Reichsverband. Sie verpflichten sich, Napoleon im Kriegsfall 63 000 Mann zur Verfügung zu stellen. Die Könige und Fürsten des Rheinbundes sind Vasallen des französischen Kaisers geworden. Auch Preußen und Österreich hängen vom guten Willen des Eroberers ab. Folgerichtig legt der Habsburger Franz II. die deutsche Kaiserkrone nieder. Das »Heilige Römische Reich Deutscher Nation« verschwindet aus der Geschichte.
    Preußen begehrt schließlich unter dem Druck vieler Napoleon-Gegner auf und schickt ein Ultimatum zur Räumung der rechtsrheinischen Gebiete nach Paris. Schlecht gerüstet und von Russland nur halbherzig unterstützt erleidet es in den Schlachten bei Jena und Auerstedt zwei verheerende Niederlagen. König Friedrich Wilhelm III. und Königin Luise fliehen bis Königsberg, und die Franzosen besetzen Berlin. Preußen wird halbiert. Es verliert alle seine westlichen Gebiete.
    Im Westen ordnet Napoleon die Errichtung des Königreichs Westfalen an, das er einem seiner Brüder übergibt. Braunschweig, Teile Kurhessens, Hannovers und Preußens gehören zu dem neuen Königreich. 1810 werden nicht nur Holland, sondern auch das Herzogtum Oldenburg und das norddeutsche Küstengebiet mit den Städten Hamburg, Bremen und Lübeck Frankreich einverleibt. Der kleine Korse entlässt und engagiert die deutschen Könige und Fürsten wie Angestellte und schürt damit gleichzeitig den heimlichen Widerstandsgeist seiner neuen Untertanen.
    Es sind die Jahre, in denen der deutsche Patriotismus eine immer stärkere Rolle zu spielen beginnt. Die Niederlagen der preußischen und österreichischen Heere, die als demütigend empfundene Besetzung vieler deutscher Regionen durch französische Truppen und Verwaltungsbeamte wecken in Deutschland ein bisher nicht gekanntes Nationalbewusstsein. Vor allem in den Burschenschaften, den Zusammenschlüssen von Studenten, und in den Kreisen des liberalen Bürgertums regen sich die neuen nationalen Kräfte. Im Winter 1807/08 hält der Philosophieprofessor Johann Gottlieb Fichte an der Berliner Universität seine Reden an die deutsche Nation. Er fordert darin seine Landsleute |120| in leidenschaftlichen Formulierungen auf, die französische Fremdherrschaft abzuschütteln und die deutsche Jugend national zu erziehen. Fichtes Reden lösen einen Begeisterungssturm aus. Friedrich Ludwig Jahn gründet 1811 die deutsche Turnbewegung. Sie wird bald zum Sammelbecken einer patriotischen Jugend, für die körperliche Ertüchtigung auch eine Antwort auf die Niederlage deutscher Heere ist. Ernst Moritz Arndt fragt, was des Deutschen Vaterland sei, und gibt selbst die Antwort: »Das ganze Deutschland soll es sein.« Heinrich von Kleist lässt seinem Napoleon-Hass in einem Gedicht freien Lauf: »Schlagt ihn tot, das Weltgericht / fragt Euch nach den Gründen nicht.« Es trägt den Titel Germania an ihre Kinder.
    Der französische Eroberer hat den deutschen Nationalismus erwachen lassen. Napoleon, selbst ein Produkt des sich in den Revolutionsjahren entwickelnden nationalen

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