Die Geschichte Der Kinder Hurins. Sonderausgabe.
aus.Also sagte sie unvermittelt zu Túrin: »Dein Vater kommt nicht. Also musst du fort, und zwar bald. Es wäre auch sein Wunsch.«
»Fort?«, rief Túrin. »Wohin sollen wir gehen? Über die Berge?«
»Ja«, sagte Morwen. »Über die Berge nach Süden. Dort könnte es noch Hoffnung geben. Doch ich habe nicht uns beide gemeint, mein Sohn. Du musst allein gehen; ich muss nämlich bleiben.«
»Ich gehe nicht allein!«, sagte Túrin. »Ich will dich nicht verlassen. Warum gehen wir nicht zusammen?«
»Ich kann nicht«, sagte Morwen. »Doch du wirst nicht ohne Begleiter gehen. Ich werde dir Gethron mitgeben, und vielleicht auch Grithnir.«
»Warum nicht Labadal?«, fragte Túrin.
»Nein, denn Sador ist lahm«, antwortete Morwen, »und der Weg ist beschwerlich. Und weil du mein Sohn bist und die Zeiten hart sind, will ich dir nichts vormachen: Dieser Weg könnte dein Tod sein. Es ist spät im Jahr. Doch wenn du hierbleibst, wartet Schlimmeres auf dich, nämlich versklavt zu werden. Wenn du ein freier Mann sein willst, wirst du tapfer sein und tun, was ich dir sage.«
»Aber ich werde dich nur mit Sador, dem blinden Ragnir und den alten Frauen zurücklassen«, sagte Túrin. »Sagte nicht mein Vater, ich sei der Erbe von Hador? Der Erbe sollte in Hadors Haus sein, um es zu verteidigen. Jetzt wünschte ich, ich hätte mein Messer noch!«
»Der Erbe sollte bleiben, aber es geht nicht«, erwiderte Morwen. »Doch er mag eines Tages zurückkehren. Nun fasse dir ein Herz! Ich werde dir folgen, wenn ich kann, falls alles noch schlimmer wird.«
»Aber wie willst du mich irgendwo in der Wildnis finden?«, rief Túrin, und plötzlich verließ ihn der Mut, und er brach in Tränen aus.
»Wenn du jammerst, wird dich etwas anderes finden«, sagte Morwen. »Aber ich weiß, wohin du gehst, und wenn du dorthin gelangst und dort bleibst, werde ich zu dir kommen, wenn ich kann. Denn ich schicke dich nach Doriath zu König Thingol. Möchtest du nicht lieber Gast eines Königs sein als ein Sklave?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Túrin. »Ich weiß nicht, was ein Sklave ist.«
»Ich schicke dich fort, damit du es nicht zu lernen brauchst«, antwortete Morwen. Dann setzte sie Túrin vor sich hin und sah ihm in die Augen, als versuche sie ein Rätsel zu ergründen, das in ihnen verborgen war. »Es ist schwer, Túrin, mein Sohn«, sagte sie schließlich. »Nicht nur für dich. Es ist eine schwere Last für mich, in diesen schlimmen Tagen entscheiden zu müssen, was für uns das Beste ist. Aber ich glaube, dass ich richtig handle; denn warum sonst sollte ich mich von dem Teuersten trennen, das mir geblieben ist?«
Sie sprachen nicht mehr darüber, und Túrin war betrübt und verwirrt. Am Morgen machte er sich auf, um Sador zu suchen. Dieser hatte Feuerholz gespalten, von dem sie nur wenig besaßen, weil sie es kaum wagten, in den Wäldern danach zu suchen. Jetzt stützte er sich auf seine Krücke und betrachtete den großen Sessel für Húrin, der unvollendet in einer Ecke stand. »Er muss dran glauben«, sagte er. »In diesen Zeiten braucht man keine überflüssigen Dinge.«
»Zerschlag ihn noch nicht«, bat Túrin. »Vielleicht kommt mein Vater heim, und dann wird er sich freuen, wenn ersieht, was du während seiner Abwesenheit für ihn gemacht hast.«
»Falsche Hoffnungen sind gefährlicher als Ängste«, meinte Sador, »und sie werden uns in diesem Winter nicht warmhalten.« Er betastete die Schnitzerei des Sessels und seufzte. »Verschwendete Zeit«, sagte er, »auch wenn mir die Stunden angenehm vergangen sind. Aber solche Dinge sind von kurzer Dauer, und was zählt, glaube ich, ist einzig die Freude, die man hat, während man daran arbeitet. Und jetzt könnte ich dir dein Geschenk ebenso gut zurückgeben.«
Túrin streckte seine Hand aus und zog sie schnell wieder zurück. »Ein Mann nimmt seine Geschenke nicht zurück«, sagte er.
»Aber es gehört mir«, wandte Sador ein. »Darf ich es nicht geben, wem ich will?«
»Doch«, erwiderte Túrin, »wem du willst, nur mir nicht. Aber warum willst du es wegschenken?«
»Ich habe keine Hoffnung, es für Aufgaben zu verwenden, die seiner würdig sind«, sagte Sador. »Künftig wird es für Labadal keine Arbeit mehr geben als Sklavenarbeit.«
»Was ist ein Sklave?«, fragte Túrin.
»Jemand, der ein Mensch war, aber wie ein Tier behandelt wird«, antwortete Sador. »Er wird ernährt, damit er am Leben bleibt, am Leben erhalten, damit er schuftet, und er schuftet nur aus
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