Die Geschichte Der Kinder Hurins. Sonderausgabe.
Schmieden trugen, um ihre Augen zu schützen, und der Anblick seines Trägers erfüllte die Herzen aller, die es sahen, mit Furcht. Der Helmkamm trug zum Trutz ein vergoldetes Abbild des Drachen Glaurung; der Helm war nämlich geschmiedet worden, kurz nachdem dieser zum ersten Mal aus den Toren Angbands hervorgekommen war. Hador und Galdor nach ihm hatten diesen Helm oft im Krieg getragen. Wenn die Streiter von Hithlum ihn hoch über dem Kampfgetümmel aufragen sahen, schlugen ihre Herzen höher, und sie riefen: »Höher steht der Drache von Dor-lómin als der Gold-Wurm von Angband!« Doch Húrin trug den Helm ungern und hätte ihn auf keinen Fall im Kampf benutzt, denn er sagte: »Ich ziehe es vor, meinen Feinden mit meinem wahren Gesicht entgegenzutreten.« Gleichwohl zählte er den Helm zu den größten Erbstücken seines Hauses.
Thingol verfügte in Menegroth über gutbestückte Waffenkammern, angefüllt mit einer Vielzahl von Waffen: Panzer, geschmiedet wie Fischschuppen und schimmernd wie Wasser im Mondlicht; Schwerter und Äxte, Schilde und Helme, angefertigt von Telchar selbst oder von seinem Lehrmeister Gamil Zirak, dem Alten, oder von Elbenschmieden, deren Arbeiten noch kunstvoller waren. Einige Stücke hatte er als Geschenke erhalten; sie stammten aus Valinor und waren der Meisterhand Feanors zu verdanken, den in allen Zeitaltern keiner an Kunstfertigkeit übertraf. Aber Thingol erwies dem Helm Hadors eine solche Ehre, als seien seine eigenen Waffenkammern armselig, und sprach mit Hochachtung von ihm: »Stolz ist das Haupt, das diesen Helm tragen darf, welchen die Vorfahren Húrins einst trugen.«
Dann kam ihm ein Gedanke, und er ließ Túrin zu sich rufen und erzählte ihm, dass Morwen ihrem Sohn eine prächtige Gabe habe zukommen lassen, nämlich das Erbstück seiner Vorväter. »Nimm den Drachenhelm des Nordens«, sagte er, »und wenn die Zeit kommt, so trage ihn in Ehren.« Doch Túrin war noch zu klein, um den Helm zu tragen, und er beachtete ihn nicht wegen des Kummers, der sein Herz bedrückte.
KAPITEL 5
TÚRIN IN DORIATH
I n den Jahren seiner Kindheit im Königreich Doriath stand Túrin unter dem Schutz Melians, auch wenn er sie selten zu Gesicht bekam. Doch ein Elben-Mädchen, das in den Wäldern lebte, folgte ihm auf Melians Geheiß, wenn er im Wald umherstreifte, und oft traf sie dort wie zufällig mit ihm zusammen. Dann spielten sie gemeinsam oder gingen Hand in Hand; denn Túrin wuchs schnell, während Nellas nicht mehr als ein Mädchen seines eigenen Alters zu sein schien und es im Herzen auch war, trotz all ihrer Elbenjahre. Von ihr lernte Túrin viel über die Wege und die Wildnis von Doriath, und sie brachte ihm die Sindarin-Sprache bei, wie sie im alten Reich gesprochen wurde, älter und höfischer undreicher an prächtigen Wörtern. So hellte sich seine Stimmung für eine kleine Weile auf, bis der Schatten sie erneut verdüsterte und diese Freundschaft vorüberging wie ein Frühlingsmorgen. Nellas nämlich mied Menegroth und weigerte sich, jemals unter steinernen Dächern einherzugehen. Als Túrins Knabenzeit sich ihrem Ende näherte und seine Gedanken sich auf männliche Taten richteten, sah er sie immer seltener, und schließlich fragte er nicht mehr nach ihr. Doch wachte sie noch immer über ihn, wenn auch jetzt im Verborgenen.
Neun Jahre verbrachte Túrin in den Hallen Menegroths. Sein ganzes Sinnen und Trachten galt immer seiner Familie, und von Zeit zu Zeit erhielt er zu seinem Trost Nachrichten von daheim. Denn Thingol sandte, sooft er konnte, Boten zu Morwen, und sie wiederum ließ ihrem Sohn auf diesem Wege Nachrichten zukommen. So erfuhr er, dass Morwens Lage sich gebessert hatte und dass seine Schwester Nienor zu einem hübschen Mädchen heranwuchs, einer Blume im grauen Norden. Túrin wuchs kräftig, bis er die Menschen und auch die Elben von Doriath an Körpergröße übertraf, und seine Kraft und Kühnheit wurden im Reiche Thingols gerühmt. In diesen Jahren eignete er sich viel Wissen an, indem er begierig den Schilderungen aus alten Zeiten lauschte, und er wurde nachdenklich und wortkarg. Beleg Langbogen kam oft nach Menegroth, um ihn zu besuchen, und führte ihn tief in die Wildnis, wo er ihm zeigte, wie man in freier Natur überlebte, und ihm Bogenschießen und (was Túrin am meisten liebte) den Umgang mit dem Schwert beibrachte. Im Handwerklichen war er freilich weniger geschickt, denn er unterschätzte seine eigene Kraft, und oft verdarb er sein Werk durch
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