Die Geschichte Der Kinder Hurins. Sonderausgabe.
wolle, oder den Rang und die Befehlsgewalt als der mächtigste seiner Hauptleute anzunehmen; er brauche nur zu enthüllen, wo sich Turgons Festung befinde, und alles zu erzählen, was er über die Pläne des Königs wisse. Doch Húrin der Standhafte verhöhnte ihn und sagte: »Du bist blind, Morgoth Bauglir, und du wirst es immer sein und nur das Dunkle sehen. Du weißt nicht, welchen Gesetzen die Herzen der Menschen folgen, und wenn du es wüsstest, könntest du sie nicht beeinflussen. Ein Narr, wer ein Angebot Morgoths annimmt! Zuerst wirst du nehmen, was man dir gibt, und dann dein Versprechen nicht halten. Ich würde nur den Tod als Lohn empfangen, wenn ich dir sagte, was du wissen willst.«
Darauf lachte Morgoth und sagte: »Du wirst den Tod noch wie eine Gnade von mir erflehen.« Dann brachte er Húrin auf den Haudh-en-Nirnaeth, der damals gerade errichtet worden war und über dem der Gestank des Todes hing. Morgoth setzte Húrin auf die höchste Spitze, befahl ihm nach Westen zu schauen, nach Hithlum, und an sein Weib, seinen Sohn und seine Familie zu denken. »Denn sie wohnen jetzt im Bereich meiner Macht«, sagte er, »und sind meiner Gnade ausgeliefert.«
»Du kennst keine Gnade«, entgegnete Húrin. »Doch über diese Menschen wirst du den Weg zu Turgon nicht finden, denn sie kennen seine Geheimnisse nicht.«
Da überkam Morgoth großer Zorn, und er sprach: »Und ich werde doch über dich triumphieren und über dein verfluchtes Haus, und mein Wille wird euch zerbrechen, und wäret ihr alle aus Stahl.« Er ergriff ein langes Schwert, dasdort lag, zerbrach es vor den Augen Húrins, sodass ein Splitter ihn im Gesicht traf. Doch Húrin wankte nicht. Darauf streckte Morgoth seinen langen Arm gegen Dor-lómin aus, und er verfluchte Húrin, Morwen und ihre Nachkommen und rief: »Merke! Der Schatten meines Trachtens wird über ihnen lasten, wo immer sie sind, und mein Hass wird sie bis ans Ende der Welt verfolgen!«
Aber Húrin antwortete: »Deine Worte sind vergeblich; denn du kannst diese Menschen nicht sehen und sie aus der Ferne nicht beherrschen – nicht, solange du diese Gestalt hast und dich danach verlangt, ein König zu sein, der auf Erden wandelt.«
Darauf wandte sich Morgoth Húrin zu und sagte: »Narr, winzig unter den Menschen, die die Geringsten sind unter allen, die ihre Stimme erheben! Hast du die Valar gesehen oder die Macht Manwes und Vardas ermessen? Weißt du, wie weit ihr Einfluss reicht? Oder glaubst du vielleicht, dass du in ihren Gedanken bist, sodass sie dich aus weiter Ferne beschirmen können?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Húrin. »Doch es könnte so sein, wenn sie es wollten. Denn der Älteste König wird nicht entthront werden, solange Arda besteht.«
»Du sagst es«, erwiderte Morgoth. »Der Älteste König bin ich. Ich bin Melkor, der erste und mächtigste aller Valar, der bereits vor der Welt da war und der sie erschuf. Der Schatten meines Trachtens liegt auf Arda, und alles, was in ihr ist, beugt sich langsam und unabwendbar meinem Willen. Über allen, denen deine Liebe gilt, wird mein Gedanke liegen wie eine Wolke des Unheils, die sie in Finsternis und Verzweiflung stürzen wird. Wo immer sie auch gehen, wird das Böse sich erheben. Wann immer sie sprechen, werdenihre Worte schlimme Folgen haben. Was immer sie tun, es wird sich gegen sie selbst richten. Sie werden ohne Hoffnung sterben, und sie werden ihr Leben und ihren Tod verfluchen!«
Aber Húrin gab ihm zur Antwort: »Vergisst du, mit wem du redest? Diese Worte hast du schon vor langer Zeit zu unseren Vätern gesagt, doch wir sind deinem Schatten entkommen. Und jetzt haben wir dich durchschaut, denn wir haben das Antlitz derer erblickt, die das Licht gesehen, und die Stimme derer gehört, die mit Manwe gesprochen haben. Ja, du bist vor Arda dagewesen, doch andere waren es auch. Doch du hast Arda nicht geschaffen. Auch der Mächtigste bist du nicht, denn du hast deine Kraft für dich selbst verzehrt und sie in der eigenen Leere vergeudet. Du bist nicht mehr als ein entsprungener Sklave der Valar, und ihre Ketten erwarten dich schon!«
»Du plapperst recht gut nach, was deine Lehrmeister dir beigebracht haben«, sagte Morgoth. »Aber dieses kindische Wissen wird dir nicht helfen, jetzt, da alle geflohen sind.«
»Dann will ich dir ein Letztes sagen, Sklave Morgoth«, sprach Húrin, »und es entstammt nicht der Weisheit der Eldar, sondern wird in dieser Stunde in mein Herz gelegt: Du bist nicht der Herr der
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