Die Geschichte Der Kinder Hurins. Sonderausgabe.
sagte Túrin und setzte sich an die Spitze, während sich hinter ihm die anderen mit den Händen an den schroffen Wänden des Ganges entlangtasteten. Viele Male wand sich der Gang in scharfen Winkeln hin und her, doch schließlich schimmerte ein mattes Licht voraus, und sie kamen in eine kleine, aber hohe Halle, schwach erhellt von Lampen, die an dünnen Ketten aus dem Schatten der Gewölbekuppel herabhingen. Mîm war nicht zu sehen, doch sie hörten seine Stimme, und von ihr geführt kam Túrin zu einer Kammer, die sich an der rückwärtigen Wand der Halle auftat. Er blickte hinein und sah Mîm am Boden knien. Neben ihm stand schweigend der Zwerg mit der Fackel, doch an der entfernten Wand lag auf einer Liegestatt aus Stein ein dritter. »Khîm, Khîm, Khîm!«, jammerte der alte Zwerg und raufte sich den Bart.
»Nicht all deine Schüsse gingen fehl«, sagte Túrin zu Andróg. »Doch dieser Treffer mag sich als verhängnisvoll erweisen. Du gehst zu leichtfertig mit deinen Pfeilen um; aber ich fürchte, du wirst nicht lange genug leben, um dies einzusehen.«
Mit einem Wink an die anderen, zurückzubleiben, ging Túrin in die Kammer hinein, bis er hinter Mîm stand. »Was fehlt ihm, Mîm?«, sprach er ihn an. »Ich verstehe mich ein wenig auf die Heilkunst. Kann ich dir helfen?«
Mîm wandte den Kopf, und in seinen Augen glomm es rot. »Nein«, antwortete er, »es sei denn, du könntest die Zeit zurückdrehen und die grausamen Hände deiner Männer abschlagen. Dies ist mein Sohn. Ein Pfeil steckte in seiner Brust. Nun ist er verstummt. Er starb bei Sonnenuntergang. Eure Fesseln hinderten mich daran, ihn zu heilen.«
Wieder quoll lang verhärtetes Mitleid in Túrins Herz auf, wie Wasser, das durch einen Fels dringt. »Ach!«, sagte er. »Wenn ich könnte, würde ich den Pfeil zurückrufen. Jetzt trägt Bar-en-Danwedh, das Haus der Auslöse, seinen Namen zu Recht. Denn ob wir hier wohnen oder nicht, ich werde mich in deiner Schuld fühlen. Und sollte ich jemals zu Reichtum gelangen, werde ich dir ein danwedh in schwerem Gold für deinen Sohn zahlen, auch wenn es dein Herz nicht mehr froh machen wird.«
Darauf erhob sich Mîm und sah Túrin lange an. »Ich habe es vernommen«, sagte er. »Du sprichst wie ein Zwergenfürst von einst, so dass es mich wundert. Nun ist mein Herz erkühlt, auch wenn es nicht froh ist. Meine eigene Auslöse will ich darum zahlen: Ihr mögt, wenn ihr wollt, hier wohnen. Aber dies füge ich hinzu: Derjenige, der diesen Pfeil abgeschossen hat, soll seinen Bogen und seine Pfeile zerbrechen und sie zu den Füßen meines Sohnes niederlegen, und er soll niemals wieder Pfeil und Bogen zur Hand nehmen. Tut er es dennoch, soll er durch sie sterben. Diesen Fluch erlege ich ihm auf.«
Andróg packte die Furcht, als er von dem Fluch hörte, und trotz heftigen Widerwillens zerbrach er Pfeile und Bogen und legte sie zu Füßen des toten Zwergs nieder. Als er aber aus dem Gemach trat, warf er einen bösen Blick auf Mîm und knurrte: »Der Fluch eines Zwergs, sagt man, stirbt nie, aber auch der eines Menschen kann sein Ziel erreichen. Möge er mit einem Pfeil in der Kehle sterben!«
In jener Nacht lagerten sie in der Halle, und die Klagen von Mîm und Ibun, seinem anderen Sohn, verfolgten sie in den Schlaf. Sie konnten sich nicht erinnern, wann es aufgehört hatte, aber als sie schließlich erwachten, waren die Zwerge verschwunden, und die Kammer war mit einem Stein verschlossen. Der Tag war erneut schön, und in der Morgensonne wuschen sich die Geächteten im Weiher und bereiteten sich ein Mahl aus ihren Vorräten; und während sie aßen, trat Mîm zu ihnen.
Er verbeugte sich vor Túrin. »Er ist bestattet, wie es sich ziemt«, sagte er. »Er liegt bei seinen Vätern. Wenden wir uns nun dem Leben zu, das uns geblieben ist, obwohl die Tage, die vor uns liegen, kurz sein können. Hat Mîms Haus dir gefallen? Ist die Auslöse bezahlt und angenommen?«
»Sie ist es«, antwortete Túrin.
»Dann steht es euch frei, eure Wohnung nach euren Wünschen einzurichten, ausgenommen nur das Gemach, das verschlossen ist. Niemand außer mir soll es öffnen.«
»Wir verstehen dich«, sagte Túrin. »Unser Leben ist hier in Sicherheit, wie es scheint. Aber wir brauchen Lebensmittel und andere Dinge. Wie gelangen wir hinaus und, was noch wichtiger ist, wie kommen wir zurück?«
Mit Besorgnis hörten sie Mîm tief in der Kehle lachen. »Fürchtet ihr, einer Spinne in die Mitte ihres Netzes gefolgt zu sein?«, fragte
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