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Die Geschichte der Liebe (German Edition)

Die Geschichte der Liebe (German Edition)

Titel: Die Geschichte der Liebe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Krauss
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Lust hast, heute Abend Topas auszuleihen.» – «Ich kann nicht.» – «Warum?» – «Hab was vor.» – «Was denn?» – «Ich geh ins Kino.» – «Mit wem?» – «’nem Mädchen, das ich kenne.» Mir drehte sich der Magen um. «Was für ein Mädchen?» Ich dachte: Bitte, lass es nicht wahr sein – «Luba», sagte er. «Vielleicht erinnerst du dich, du hast sie mal gesehen.» Natürlich erinnerte ich mich. Wie soll man eine Blondine vergessen, die einen Meter neunzig ist und behauptet, sie stamme von Katharina der Großen ab?
Es schien ein schlechter Tag zu werden.
«M-E-R-E-M-I-N-S-K-I», sagte ich zu der Frau hinter dem Schreibtisch in Zimmer 133. Ich dachte: Wie kann er nur ein Mädchen mögen, das nicht einmal dann imstande wäre, den universellen Essbarkeitstest zu machen, wenn es um ihr Leben ginge? «M-E-R-E», sagte die Frau, also sagte ich «M-I-N-S –» und dachte: Wahrscheinlich hat sie noch nie von Das Fenster zum Hof gehört. «M-Y-M-S», sagte die Frau. «Nein», sagte ich. «M-I-N-S.» – «M-I-N-S», sagte die Frau. «K-I», sagte ich. Und sie sagte: «K-I.»
Eine Stunde verging, und wir fanden keinen Totenschein auf den Namen Alma Mereminski. Eine weitere halbe Stunde, und immer noch nichts. Einsamkeit verwandelte sich in Niedergeschlagenheit. Nach zwei Stunden sagte die Frau, sie sei sich hundertprozentig sicher, dass es keine Alma Mereminski gebe, die nach 1948 im Stadtgebiet von New York gestorben sei.
An diesem Abend lieh ich mir noch einmal Der unsichtbare Dritte aus und sah ihn mir zum elften Mal an. Dann ging ich schlafen.
    19. EINSAME MENSCHEN SIND IMMER MITTEN IN DER NACHT AUF
Als ich die Augen aufschlug, stand Onkel Julian über mir. «Wie alt bist du?», fragte er. «Vierzehn. Nächsten Monat werde ich fünfzehn.» – «Nächsten Monat fünfzehn», sagte er, als wälze er ein Matheproblem im Kopf. «Was willst du werden, wenn du groß bist?» Er trug noch seinen klitschnassen Regenmantel. Ein Tropfen Wasser fiel mir ins Auge. «Ich weiß nicht.» – «Na, komm schon, irgendwas wird es doch geben.» Ich setzte mich in meinem Schlafsack auf, rieb mir das Auge und sah auf meine Digitaluhr. Sie hat einen Knopf, den man drücken kann, damit die Ziffern leuchten. Außerdem hat sie einen eingebauten Kompass. «Es ist drei Uhr vierundzwanzig früh», sagte ich. Bird ratzte in meinem Bett. «Ich weiß. Ich kam nur eben drauf. Sag’s, und ich verspreche dir, dass ich dich wieder schlafen lasse. Was willst du werden?» Ich dachte, jemand, der bei Temperaturen unter null überleben, sich Essen suchen, eine Schneehöhle bauen und mit nichts ein Feuer machen kann. «Ich weiß nicht. Vielleicht Malerin», sagte ich, um ihn glücklich zu machen, damit er mich wieder schlafen ließ. «Komisch», sagte er. «Genau das habe ich gehofft, dass du es sagen würdest.»
    20. WACH IM DUNKELN
Ich dachte an Misha und Luba, an meinen Vater und meine Mutter und daran, warum Zvi Litvinoff nach Chile ausgewandert war und Rosa geheiratet hatte statt Alma, die er wirklich geliebt hatte.
Über den Flur hörte ich Onkel Julian im Schlaf husten.
Dann dachte ich: Augenblick mal.
    21. SIE MUSS GEHEIRATET HABEN!
Das war’s! Darum hatte ich keinen Totenschein auf den Namen Alma Mereminski gefunden. Warum war ich nicht früher darauf gekommen?
    22. NORMAL SEIN
Ich langte unter mein Bett und zog die Taschenlampe aus meinem Überlebensrucksack, außerdem den dritten Band von Wie man in der Wildnis überlebt . Als ich die Taschenlampe anmachte, fiel mir etwas ins Auge. Es steckte zwischen Bettrahmen und Wand, fast am Boden. Ich rutschte unters Bett und leuchtete mit der Taschenlampe, um besser zu sehen. Es war ein schwarz-weißes Aufsatzheft. Vorne drauf stand. Und daneben: PERSÖNLICH. Misha hat mir einmal gesagt, auf Russisch gebe es kein Wort für das Persönliche. Ich schlug es auf.
9. April

Jetzt bin ich drei Tage hintereinander ein normaler Mensch gewesen. Was bedeutet, ich bin nicht auf irgendwas draufgeklettert, habe G’ttes Namen auf nichts draufgeschrieben, was nicht mir gehört, und habe auf keine ganz normale Frage einen Spruch aus der Tora gesagt. Es bedeutet auch, ich habe nichts getan, was ein NEIN auf die Frage folgen lässt: WÜRDE EIN NORMALER MENSCH DAS TUN? Bislang war es gar nicht so schlimm.
10. April

Dies ist der vierte Tag in Folge, an dem ich mich normal benommen habe. In Sport hat Josh K. mich an die Wand gedrückt und gefragt, ob ich mich für einen dicken fetten Obermaxe halte, und

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