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Die Geschichte der Liebe (German Edition)

Die Geschichte der Liebe (German Edition)

Titel: Die Geschichte der Liebe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Krauss
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ich habe ihm gesagt, ich halte mich nicht für einen dicken fetten Obermaxe. Weil ich keinen ganzen normalen Tag verderben wollte, habe ich ihm nicht gesagt, dass ich kein Obermaxe, aber vielleicht der moschiach bin. Auch mein Handgelenk wird besser. Wenn ihr wissen wollt, wie ich es mir verstaucht habe, dann war das so, dass ich aufs Dach geklettert bin, weil ich zu früh bei der Hebräischen Schule ankam und die Tür abgeschlossen war und an der Seite des Gebäudes eine Leiter hing. Die Leiter war rostig, aber sonst war es gar nicht so schlimm. Mitten auf dem Dach war eine große Wasserpfütze, und ich wollte sehen, was passiert, wenn ich meinen Flummi darin springen lasse und ihn zu fangen versuche. Das war lustig! Ich habe es ungefähr fünfzehnmal gemacht, bis ich ihn verlor, weil er über den Rand gesprungen ist. Dann legte ich mich auf den Rücken und sah in den Himmel. Ich habe drei Flugzeuge gezählt. Als mir langweilig wurde, wollte ich wieder nach unten. Das war schlimmer als nach oben, weil ich rückwärts runtermusste. Auf halbem Weg kam ich an den Fenstern eines Klassenraums vorbei. Ich sah Mrs.   Zucker vorne stehen, und darum wusste ich, dass es die Viertklässler waren. (Wenn ihr es wissen wollt, ich bin dieses Jahr in der Fünften.) Ich konnte nicht hören, was Mrs.   Zucker sagte, und darum versuchte ich es ihr von den Lippen abzulesen. Ich musste mich sehr weit von der Leiter wegbeugen, um richtig zu sehen. Ich presste mein Gesicht direkt ans Fenster, und plötzlich drehten sich alle zu mir um, also habe ich gewinkt, und dabei habe ich das Gleichgewicht verloren. Ich fiel, und Rabbi Wizner sagte, es ist ein Wunder, dass ich mir nichts gebrochen habe, aber tief in mir wusste ich, dass ich die ganze Zeit in Sicherheit war und dass G’tt mir nichts passieren lassen würde, weil ich fast ganz sicher ein lamed wownik bin.
11. April

Heute war mein fünfter Tag Normalsein. Alma sagt, wenn ich normal wäre, würde mir das mein Leben erleichtern, ganz zu schweigen von allen anderen. Ich habe den Star-Verband von meinem Handgelenk abgemacht, und jetzt tut es nur noch ein bisschen weh. Wahrscheinlich hat es viel mehr wehgetan, als ich es mit sechs gebrochen hatte, aber daran erinnere ich mich nicht.
     
Ich übersprang bis:
27. Juni

Bis jetzt hat mir der Lemon-Aid Verkauf 295,50   Dollar eingebracht. Das sind 591 Becher! Mein bester Kunde ist Mr.   Goldstein, der immer 10 Becher auf einmal kauft, weil er so schrecklichen Durst hat. Und Onkel Julian, der mir einmal 20   Dollar Trinkgeld gegeben hat. Noch 384,50   Dollar, dann geht’s los.
28. Juni

Heute hätte ich fast was nicht Normales getan. Ich kam an einem Haus in der 4 th Street vorbei, und da war ein Holzbrett, das am Gerüst lehnte, und es war niemand in der Nähe, und ich wollte es eigentlich mitnehmen. Es wäre kein richtiges Stehlen gewesen, weil die besondere Sache, die ich baue, den Menschen helfen wird und weil G’tt will, dass ich sie baue. Aber ich wusste auch, wenn ich sie stehle und es herauskommt, bekomme ich Ärger, und Alma muss mich abholen und wird wütend sein. Aber ich wette, sie ist nicht mehr wütend, wenn es anfängt zu regnen und ich ihr am Ende erzähle, was für eine Sache ich da angefangen habe zu bauen. Ich habe schon jede Menge Zeug dafür gesammelt, meistens Sachen, die irgendwer auf den Müll geworfen hat. Was ich noch viel brauche, weil es schwimmt, aber schwer finden kann, ist Styropor. Bis jetzt habe ich nicht viel davon. Manchmal fürchte ich, dass es anfangen wird zu regnen, bevor ich mit dem Bauen fertig bin.
Wenn Alma wüsste, was geschehen wird, wäre sie, glaube ich, auch nicht so böse, dass ich  in ihr Notizbuch geschrieben habe. Ich habe alle drei Bände von Wie man in der Wildnis überlebt gelesen, und sie sind sehr gut, mit lauter interessanten und nützlichen Fakten. In einem Teil steht alles, was man bei einer Atombombe tun muss. Obwohl ich nicht glaube, dass es eine Atombombe geben wird, habe ich es für alle Fälle sehr sorgfältig gelesen. Dann habe ich beschlossen, falls es eine Atombombe gibt, bevor ich nach Israel gelange, und überall Asche wie Schnee fällt, werde ich Engel machen. Ich werde durch jedermanns Haus laufen, weil niemand mehr da ist. Ich könnte dann nicht mehr zur Schule gehen, aber das wäre nicht so schlimm, weil wir sowieso nie etwas so Wichtiges lernen wie was nach dem Tod passiert. Aber egal, ich mache nur Spaß, weil es doch keine Atombombe geben wird. Was es

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