Die Geschichte des Chevalier des Grieux und der Manon Lescaut - Roman
Meine Reserven waren im Übrigen bescheiden, und Manon war aufgrund der Zuwendungen von B… wohlhabend genug, um gering erscheinen zu lassen, worauf sie mich verzichten hieß.
Beim Althändler berieten wir nun, wie unsere weiteren Pläne aussehen sollten. Damit ich das Opfer besser zu schätzen wisse, das sie mir brachte, wenn sie B… verließ, beschloss sie, nicht die geringste Rücksicht auf ihn zu nehmen.
«Ich will ihm wohl die Möbel lassen», sagte sie, «sie gehören ihm; mitnehmen werde ich aber, und das ist nur recht und billig, den Schmuck und an die sechzigtausend Franc, um die ich ihn während der letzten zwei Jahre erleichtert habe. Ich habe ihm keinerlei Rechte über mich eingeräumt», setzte sie hinzu, «so können wir unbesorgt in Paris bleiben und ein angenehmes Haus mieten, wo wir ein glückliches Leben führen werden.»
Wenn für sie schon keine Gefahr bestehe, so gab ich ihr zu bedenken, dann aber umso mehr für mich, der ich unweigerlich früher oder später erkannt würde und ständig von dem Unheil bedroht sei, das ich schon einmal hätte erleiden müssen.
Sie gab mir zu verstehen, dass sie Paris nur ungern verlasse. Ich fürchtete so sehr, ihr Kummer zu bereiten, dass ich mich auf jede Unwägbarkeit eingelassen hätte, um ihr gefällig zu sein.
Wir fanden indessen einen vernünftigen Mittelweg, nämlich ein Haus in einem Dorf in der Nähe von Paris zu mieten, von wo in die Stadt zu fahren uns ein Leichtes wäre, wenn Amüsement oder Notwendigkeit uns dorthin riefen. Die Wahl fiel auf Chaillot 11 , das nicht weit entfernt liegt.
Manon kehrte sogleich in ihre Wohnung zurück. Ich begab mich zu der kleinen Pforte im Garten der Tuilerien, um auf sie zu warten. Eine Stunde später erschien sie in einer gemieteten Kutsche, begleitet von einem Mädchen, das ihr aufwartete, und mit einigen Koffern, in denen ihre Kleider und alles, was sie an Kostbarkeiten besaß, untergebracht war.
Wir begaben uns geradewegs nach Chaillot. Die erste Nacht verbrachten wir in einem Gasthof, um uns mit der Suche nach einem Haus oder zumindest einer behaglichen Wohnung Zeit zu lassen. Schon am nächsten Tag fanden wir etwas, das unserem Geschmack entsprach.
Mein Glück schien mir zunächst auf festen Füßen zu stehen. Manon war ganz Sanftmut und Liebenswürdigkeit. Sie sorgte so zartfühlend für mich, dass ich mich im Übermaß für all meine Leiden entschädigt glaubte.
Da wir beide ein wenig Erfahrung gesammelt hatten, überlegten wir uns, wie es um die Solidität unserer Mittel bestellt war. Sechzigtausend Franc, die den Grundstock unseres Reichtums bildeten, waren nun keine Summe, die für ein langes Leben ausreichend gewesen wäre. Wir waren im Übrigen nicht geneigt, unsere Ausgaben allzu sehr einzuschränken. Sparsamkeit war ebenso wenig die höchste Tugend Manons wie die meine. Deshalb fasste ich folgenden Plan: «Mit sechzigtausend Franc», so sagte ich zu ihr, «können wir zehn Jahre ein Auskommen haben. Zweitausend Ecu im Jahr genügen uns, wenn wir weiterhin in Chaillot wohnen. Dort führen wir ein anständiges, aber einfaches Leben. Unsere einzigen Aufwendungen werden dem Unterhalt einer Kutsche und Theaterbesuchen dienen. Darauf werden wir uns einstellen. Da Sie die Oper lieben, werden wir zweimal die Woche dort hingehen. Beim Spiel schränken wir uns ein, sodass unsere Verluste niemals zwei Pistolen übersteigen. Es ist unmöglich, dass im Zeitraum von zehn Jahren nicht ein Wechselfall in meiner Familie eintritt; mein Vater ist bejahrt, er kann sterben. Dann werde ich wohlversorgt sein, und wir sind aller weiteren Befürchtungen enthoben.»
Dieses Arrangement wäre beileibe nicht die größte Unsinnigkeit meines Lebens gewesen, hätten wir nur genug Vernunft besessen, uns daran zu halten. Doch unsere Vorsätze währten kaum länger als einen Monat. Manons Leidenschaft waren Lustbarkeiten und meine war sie. Es ergaben sich alle Augenblicke neue Anlässe, Geld auszugeben; und weit davon entfernt, den Summen nachzutrauern, die sie zuweilen verschwenderisch aufwandte, war ich der Erste, ihr all das zu verschaffen, womit ich ihr Freude zu machen glaubte.
Schon unsere Wohnung in Chaillot fing an, ihr Verdruss zu bereiten. Der Winter nahte; alles kehrte in die Stadt zurück, und auf dem Land wurde es öde. Sie schlug vor, unseren Haushalt wieder nach Paris zu verlegen. Damit war ich keineswegs einverstanden, doch um ihr einigermaßen entgegenzukommen, sagte ich, wir könnten in Paris eine
Weitere Kostenlose Bücher