Die Geschichte des Chevalier des Grieux und der Manon Lescaut - Roman
ich Ihrer Meinung nach wohl zu Manon sagen?»
«Apropos Manon», gab er zurück, «was macht Ihnen da Verlegenheit? Haben Sie mit ihr nicht ein Mittel, Ihren Sorgen ein Ende zu bereiten, wann immer Sie wollen? Ein Mädchen wie sie sollte für unser aller Unterhalt sorgen, den Ihren, ihren eigenen und meinen.»
Er kam einer Antwort zuvor, die diese Impertinenz verdient hatte, und fuhr fort, er beschaffe mir garantiert noch vor Abend tausend Ecu, die wir uns teilen könnten, wenn ich seinem Rat Folge leisten würde; er kenne da einen adeligen Herrn, der in Sachen Sinnenlust so großzügig sei, dass er, dessen sei er gewiss, ohne Weiteres tausend Ecu springen lassen würde, um sich ein Mädchen wie Manon geneigt zu machen.
Ich unterbrach ihn. «Ich hatte eine bessere Meinung von Ihnen», antwortete ich. «Ich hatte mir vorgestellt, dass Ihr Antrieb, mir Ihre Freundschaft zu gewähren, einer Einstellung entsprang, die Ihrer jetzigen völlig entgegengesetzt ist.»
Er gestand mir schamlos, dass er die ganze Zeit schon so gedacht habe und sich – da seine Schwester nun einmal die Gebote ihres Geschlechts gebrochen habe, und sei es auch zugunsten des Mannes, dem er am meisten zugetan sei – allein in der Hoffnung mit ihr versöhnt habe, von ihrem schlechten Lebenswandel zu profitieren.
Es war leicht zu sehen, dass er uns bislang zum Narren gehalten hatte. Doch welche Gefühle seine Äußerungen bei mir auch hervorgerufen haben mochten, ich war so sehr auf ihn angewiesen, dass ich mich genötigt sah, ihm lachend zu antworten, sein Rat sei ein letztes Mittel, das man sich für den äußersten Fall aufheben solle. Ich bat ihn, mir irgendeine andere Möglichkeit zu nennen. Er schlug vor, ich solle mir meine Jugend und das vorteilhafte Äußere, das mir die Natur gewährt habe, zunutze machen und mich auf eine Liaison mit einer alten und großzügigen Dame einlassen. An dieser Lösung fand ich ebenso wenig Gefallen, hätte sie doch Untreue gegenüber Manon bedeutet.
Ich sprach ihn aufs Glücksspiel an, das mir das einfachste Mittel schien und sich zudem meiner Stellung am ehesten ziemte. Er antwortete, das Glücksspiel sei allerdings eine Einnahmequelle, doch bedürfe das einer Klarstellung; denn einfach nur mit gewöhnlichen Gewinnaussichten zu spielen, sei der rechte Weg, um meinen Ruin zu besiegeln; allein und ohne Beistand die kleinen Kunstgriffe anwenden zu wollen, die ein geschickter Spieler einsetzt, um dem Glück nachzuhelfen, sei ein zu gefährliches Geschäft; es gebe einen dritten Weg, nämlich sich zusammenzuschließen, doch meine Jugend lasse ihn fürchten, dass die Herren von der Genossenschaft mir die für den Bund nötigen Eigenschaften noch nicht zutrauen würden. Er versprach mir gleichwohl, sich bei ihnen für mich zu verwenden; und, was ich nicht von ihm erwartet hatte, er bot mir etwas Geld an, da ich mich doch in einer Notlage befände. Unter diesen Umständen war der einzige Gefallen, um den ich ihn bat, der, Manon weder von dem Verlust, den ich erlitten hatte, noch vom Gegenstand unseres Gespräches zu erzählen.
Ich verließ seine Wohnung noch weniger gefasst als ich sie betreten hatte; es reute mich sogar, ihm mein Geheimnis anvertraut zu haben. Er hatte nichts für mich getan, was ich nicht ohne diese Eröffnung selbst hätte erreichen können, und ich hatte eine Sterbensangst, dass er sein Versprechen, Manon nichts zu verraten, nicht halten würde. Seiner erklärten Einstellung zufolge musste ich auch befürchten, dass er den Plan, von ihr zu profitieren, wie er es selbst ausdrückte, weiterverfolgen würde, indem er sie mir entrisse oder ihr zumindest anriete, mich zu verlassen, um sich einem reicheren und vom Glück eher begünstigten Liebhaber zu verbinden. Darüber stellte ich tausenderlei Überlegungen an, die am Ende nur dazu dienten, mich zu quälen und die Verzweiflung wieder aufleben zu lassen, in der ich mich am Morgen befunden hatte. Es kam mir auch mehrfach in den Sinn, an meinen Vater zu schreiben und eine neuerliche Bekehrung vorzuspiegeln, um von ihm geldliche Hilfe zu erlangen; doch ich erinnerte mich sogleich, dass er mich trotz seiner großen Güte auf meinen ersten Fehltritt hin sechs Monate lang in einem engen Gefängnis festgesetzt hatte; und ich war ganz sicher, dass er mich nach einem Skandal, wie ihn meine Flucht aus Saint-Sulpice ausgelöst haben musste, noch viel strenger behandeln würde.
Schließlich tauchte in diesem Wirrwarr von Gedanken auch einer auf, der mit
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