Die Geschichte des Chevalier des Grieux und der Manon Lescaut - Roman
auszurichten. Wusste ich doch so gut, wofür es empfänglich war! Und war ich mir doch so sicher, von ihr geliebt zu werden! Ich hätte wetten können, dass selbst der absonderliche Einfall, mir zum Trost ein hübsches Mädchen zu schicken, ihrem Erfindungsreichtum zu verdanken und ihrem Mitgefühl für meine Schmerzen entsprungen war.
Ich beschloss, meinen ganzen Unternehmungsgeist darauf zu verwenden, eine Begegnung mit ihr herbeizuführen. Unter den vielen Mitteln und Wegen, die ich nacheinander in Erwägung zog, verblieb ich bei diesem: Monsieur de T… war mir inzwischen mit solcher Zuwendung zu Diensten gewesen, dass ich nicht den geringsten Zweifel an seiner Ehrlichkeit und Ergebenheit haben konnte. Ich entschloss mich, auf der Stelle zu ihm zu gehen und ihn dazu zu bringen, dass er G… M… unter dem Vorwand einer dringenden Angelegenheit zu sich bitten ließ. Ich brauchte nur eine halbe Stunde, um mit Manon zu sprechen. Mein Plan war, mich in ihr Schlafgemach führen zu lassen, und ich meinte, die Abwesenheit von G… M… würde mir das erleichtern.
Dieser Beschluss ließ mich ruhiger werden. Das junge Mädchen, das immer noch bei mir war, entlohnte ich großzügig, und um sie davon abzubringen, dass sie zu ihren Auftraggebern zurückkehrte, fragte ich sie, wo sie wohne, um ihr Hoffnung zu machen, dass ich die Nacht mit ihr verbringen würde.
Ich bestieg meine Kutsche und ließ mich in rascher Fahrt zu Monsieur de T… bringen. Zum Glück war er zu Hause, denn die Ungewissheit, ob ich ihn antreffen würde, hatte mich unterwegs beunruhigt. Mit wenigen Worten klärte ich ihn über mein Missgeschick und über den Gefallen auf, um den ich ihn bitten wollte. Er war höchst erstaunt zu erfahren, dass G… M… Manon hatte verführen können, und da er nicht wusste, dass ich selbst zu meinem Unglück beigetragen hatte, bot er mir großzügig an, all seine Freunde zu versammeln, um mit ihrer Kraft und ihren Waffen die Befreiung meiner Geliebten zu erkämpfen. Ich gab ihm zu verstehen, dass ein solcher Tumult für Manon und mich verhängnisvoll sein könne.
«Sparen wir unser Blut für das Äußerste», sagte ich. «Ich erwäge einen sanfteren Weg, von dem ich mir nicht minder Erfolg verspreche.»
Er erbot sich, ohne Vorbehalte all das zu tun, worum ich ihn bitten würde. Und nachdem ich ihm wiederholt hatte, es handele sich nur darum, G… M… davon zu benachrichtigen, dass er mit ihm zu sprechen habe, und ihn auf ein oder zwei Stunden dem Hause fernzuhalten, brach er alsbald mit mir auf, um meinem Anliegen nachzukommen.
Wir überlegten, welchen Winkelzugs er sich bedienen könne, um ihn so lange festzuhalten. Ich riet ihm, zunächst aus einer Schänke ein paar Zeilen an ihn zu schreiben, mit denen er ihn bitten solle, sich alsbald dort einzufinden, und zwar in einer so wichtigen Angelegenheit, dass sie keinen Aufschub dulde.
«Ich werde», setzte ich hinzu, «ihn beim Verlassen des Hauses beobachten und ohne Schwierigkeit hineingelangen, da nur Manon mich kennt und Marcel, der mein Diener ist. Sie dagegen, der Sie während dieser Zeit mit G… M… zusammen sind, Sie könnten ihm sagen, dass die wichtige Angelegenheit, in der Sie ihn zu sprechen wünschen, ein Mangel an Geld sei, dass Sie das Ihre beim Spiel verloren und mit derselben Pechsträhne noch viel mehr auf Ehrenwort verspielt hätten. Er wird Zeit brauchen, um Sie zu seinem Geldschrank zu führen, und ich werde ausreichend Gelegenheit haben, um meinen Plan in die Tat umzusetzen.»
Monsieur de T… hielt sich Punkt für Punkt an diese Abmachung. Ich ließ ihn in einer Schänke zurück, wo er sogleich seinen Brief schrieb. Sodann postierte ich mich einige Schritte von Manons Haus entfernt. Ich sah den Überbringer der Botschaft eintreffen und G… M… einen Moment später zu Fuß davongehen, gefolgt von einem Lakaien. Ich ließ mir Zeit, bis er die Straße verlassen hatte, und begab mich zur Tür meiner Ungetreuen. Trotz all meines Zorns klopfte ich mit einer Ehrfurcht an, wie man sie vor einem Tempel empfindet. Zum Glück war es Marcel, der mir die Tür öffnete. Ich bedeutete ihm durch ein Zeichen, Stillschweigen zu bewahren. Obwohl ich von den anderen Dienstboten nichts zu befürchten hatte, fragte ich ihn ganz leise, ob er mich unbemerkt zu dem Gemach bringen könne, in dem Manon sich aufhielt. Er sagte, das sei ganz leicht, wenn man nur behutsam die große Treppe hinaufgehe.
«Gehen wir sogleich», sagte ich, «und versuche er zu
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