Die Geschichte eines schoenen Mädchens
als die Arbeit als Zimmermann«, sagte er. »Da gilt nicht die Regel: zweimal nachmessen und einmal sägen. Man misst jeden Tag immer und immer wieder nach.«
Officer Williamson öffnete die Tür zur Laderampe. Sein Wagen stand auf der einen Seite des Parkplatzes, Petes Jeep auf der anderen. Der Officer drehte sich zu Julia um: »Wie gesagt, für dich gibt es keine zweite Chance mehr.«
Da Julia keine Antwort gab, schaltete sich Martha ein: »Die wird sie auch nicht brauchen.«
Julia setzte sich auf den Rücksitz, Martha stieg vorn ein. Es war warm im Auto, aber Behaglichkeit kam nicht auf. Pete schaute in den Rückspiegel und nickte Julia zu, dann startete er den Motor.
Martha wünschte, er würde sich zu Wort melden – mit einer Rüge, einer Frage oder irgendetwas anderem. Doch die Regeln waren schon vor langer Zeit stillschweigendfestgelegt worden: Pete drängte sich nie in den Vordergrund, und er bestand auch nicht darauf, dass Martha Julia auf seine Art erzog.
Schließlich stellte sie die einzige Frage, die in dieser Situation sinnvoll war: »Warum, Julia?«
Langes Schweigen.
Martha setzte hinzu: »Woher hattest du den Alkohol?«
»Von Miranda.«
»Sie hat ihn mit zur Mall gebracht?«
»Sie hatte ihn zu Hause. Zur Mall sind wir später gegangen.«
»Um zu stehlen.«
Schweigen.
»Wieso erniedrigst du dich selbst so sehr?«
»Du kaufst nie in der Mall ein«, entgegnete Julia. »Du sagst, dort ist alles zu teuer.«
»Das ist keine Rechtfertigung für dein Verhalten.«
»Ich brauchte eine Jeans!«
Pete bog auf die Route 6 ein.
»Du hast Glück, dass dich Officer Williamson hat laufen lassen. Er hätte dich auch in Arrest nehmen können.«
»Vermutlich hätte er das auch getan, wenn er wüsste, wer ich wirklich bin.«
»Und wer bist du?«
»Ich will einfach so sein wie alle anderen!« Ihre Worte klangen verschwommen, doch die Aussage war klar. »Alle anderen haben richtige Jeans, Farbfernseher, Billardtische und große Segelboote. Und sie verbringen die Wintermonate nicht am Cape. Miranda geht nach Florida.«
»Aber du kannst nicht erwarten …«
»Und alle anderen haben Eltern.«
Das Wort dröhnte laut in dem warmen Jeep. Plötzlich war die Luft stickig.»Vielleicht ist es an der Zeit, ihr ein paar Dinge zu erklären«, meinte Pete später.
Sie lagen nebeneinander im Bett – beide auf dem Rücken. Sie hatten ihre Bücher nicht angerührt, aber die Leselampen brannten noch.
»Das kann ich nicht!«
»Ich will damit nicht sagen, dass sie sich so aufführt, weil sie es nicht weiß. Aber es kann nicht schaden, wenn du ihr reinen Wein einschenkst.«
»Sie hat uns.« Martha warf einen Blick zu ihm. »Sie hat ihre Tanten und Onkel, die wir oft besucht haben und die uns jeden Sommer besuchen.«
»Julia weiß, dass das deine ehemaligen Schüler sind.«
»Sie ist schon jetzt unkontrollierbar. Was würde sie tun, wenn sie Bescheid wüsste? Das mag ich mir gar nicht vorstellen.«
»Andererseits möchte sie mehr erfahren.«
»Sie ist zu jung.«
»Und wann ist sie alt genug?«
»Ich weiß es nicht.«
»Martha.« Er musterte sie zärtlich. »Ich war so erleichtert, als du mir gestanden hast, dass du nicht Matilda bist.« Er rollte auf die Seite und legte die Hand auf ihre Hüfte. »Das hat das ständige Kommen und Gehen erklärt – genau wie all die Momente, in denen du dich abgewandt hast und plötzlich ganz still geworden bist.«
»Davon hast du schon öfter gesprochen.«
»Ja, aber ich bin nicht sicher, ob ich dir Folgendes schon gesagt habe.« Er stupste sie mit der Hand an, und sie drehte sich zu ihm, so dass sie ihm in die Augen schauen konnte. Wie so oft fühlte sie sich in seiner Nähe wie eine Zwanzigjährige. Er fuhr fort: »Sobald ich wusste, was mit dir los ist – dass du alles von jetzt auf gleich hinter dir gelassen hast, weil du einer verzweifelten jungen Frau deinWort gegeben hast –, warst du für mich die unglaublichste Person auf der Welt.«
»Jeder hätte so gehandelt.«
»Nein, ganz bestimmt nicht.«
»Vielleicht hätte ich es nicht tun sollen.«
»Das glaubst du nicht im Ernst.«
»Damals habe ich es für das Richtige gehalten. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher. Ich eigne mich nicht gerade gut als Mutterersatz.«
»Die meisten Eltern zweifeln an sich. Ich glaube, das gehört zur Elternschaft dazu.«
Martha schwieg.
»Diese Phase geht vorüber. Gary hatte auch so eine. Er trank Bier mit seinen Freunden und hat mein Auto zu Schrott gefahren. Stell dir nur
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