Die Geschichte eines schoenen Mädchens
gut.
Er vermutete, dass die beiden Jungs wie er hier aufgenommen worden waren, weil sie vielleicht auch auf der Straße gelebt hatten. Aber sie konnten lesen und hören. Wenn er in der Garage herumhantierte, spähte er immer wieder durch das Fenster und sah, wie die Jungs dem Priester im Fernsehen aufmerksam zuhörten, mit den Silbernen sprachen, während die Bücher aufgeschlagen vor ihnen lagen. Sie beteten sogar vor den Mahlzeiten und falteten die Hände. Homan fragte sich, ob die Silbernen von ihm erwarteten, dass er mitmachte, aber sie ließen ihn in Ruhe. Dieses Arrangement war gar nicht mal so schlecht, fand er.
Nur eine Sache war ihm nicht ganz geheuer. Manchmal, wenn er hereinkam, ertappte er die Silbernen dabei, wie sie einen bedeutsamen Blick wechselten. Und beim Essen redeten sie und schauten immer wieder verstohlen in seine Richtung. Das schien der Preis zu sein, den er für dieses Luxusleben zu bezahlen hatte – die anderen redeten über ihn. Doch das konnte er aushalten, bis er herausgefunden hatte, wie er von hier wegkam.
Das war das Problem. Hier konnte er sich nirgendwo verstecken oder auf Güterzüge springen. Es gab nur einelange Straße und ein einzelnes Haus. Autos und Trucks fuhren gelegentlich vorbei, aber wie konnte er auf ein schnelles Fahrzeug aufspringen? Weit und breit war keine Ampel oder ein Stoppschild. Er konnte lediglich in der brennenden Sonne zu Fuß fliehen, aber die Polizei hatte ihn hergebracht, und sie würden ihn ganz bestimmt wieder zurückholen.
Homan überlegte, ob er das Auto des Silbermannes stehlen sollte. Er setzte sich in der Garage auf den Fahrersitz und befühlte das Lenkrad. Obwohl dieser Wagen anders war als die Fahrzeuge bei den McClintocks oder im Knast, könnte er damit umgehen. Auch wenn er keine anderen Autos hören oder nach dem Weg fragen konnte, käme er leicht weg, aber früher oder später würde irgendwas schiefgehen, und wenn ihn die Polizei als Autodieb festnahm, landete er im Gefängnis, bevor er das schöne Mädchen wieder in die Arme schließen konnte.
Eines Morgens setzten die Silbernen ihn und die beiden Jungs ins Auto und fuhren über die lange, lange Straße zu einer Kreuzung mit einem Restaurant, einem Lebensmittelladen, einer Tankstelle und einer weiten, leeren Fläche. Ein rotes Licht blinkte über der Stelle, wo die Straßen zusammentrafen. Sie blieben auf dem leeren Feld stehen. Ein Arbeitstrupp war bereits hier, und bald kamen ein Zementlaster mit Mischmaschine und andere Lastwagen mit grauen Ziegelblöcken an. Die Arbeiter umringten den Silbernen, der ein Megafon in der Hand hielt. Schließlich machten sie sich an die Arbeit, um irgendetwas zu bauen. Homan rechnete damit, dass er mithelfen sollte. Er hatte keine Ahnung, was sie bauten, sah jedoch, als sie ein Fundament mit Zement ausgossen, dass es so groß sein würde wie die Fläche, die der Zirkus brauchte, der hin und wieder im Knast gastiert hatte. Am nächsten Tag kamen sie zur Baustelle zurück, am übernächsten auch. Es wurdezu seiner Aufgabe, Wände mit den grauen Blöcken hochzuziehen. Später half er, ein Dach zu zimmern, Stromleitungen und Wasserrohre zu verlegen und – das verstand er gar nicht – eine Bühne zu bauen. Das Geheimnis dieses Baus und die Annehmlichkeiten bei den Silbernen lenkten ihn davon ab, sofort weiterzuziehen.
Nachdem er und die Arbeiter eine Reihe Stühle in das neue Gebäude geschleppt hatten, erhielt er eines Tages ein wenig mehr Klarheit. Kurz vor Sonnenuntergang, als er und ein paar andere aufs Dach geschickt wurden, sah er es – da unten lag ein riesiges Kreuz und wartete darauf, aufgestellt zu werden. Er half, es hochzuziehen und festzuhalten, während andere es an der Wand festschraubten. Dabei fiel sein Blick auf das blinkende rote Licht an der Kreuzung. An der Tankstelle standen zwei junge Männer mit Rucksäcken zu ihren Füßen und hielten die Daumen in eine Richtung. Ein Lastwagenfahrer, der an der Zapfsäule stand, winkte sie zu sich. Sie schulterten ihre Rucksäcke, kletterten ins Führerhaus und fuhren davon.
Richtig. Tramper. So was hatte Homan im Fernsehen gesehen. Das musste er auch tun.
Zur Kreuzung zu gelangen war nicht schwer, da sie jeden Tag hergefahren wurden. Heikel war nur der Weg zur Tankstelle und dort, ohne sprechen zu müssen, einen Fahrer zu finden, der ihn mitnahm.
Jemand schaltete einen Scheinwerfer an. Das Kreuz erstrahlte im Licht, und Homan schaute hinunter – ein schöner Anblick. Die dort unten
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