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Die Geschichte eines schoenen Mädchens

Die Geschichte eines schoenen Mädchens

Titel: Die Geschichte eines schoenen Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Simon
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Kate.
    Das Haus glich einem Kindergesicht mit Pausbäckchen und großen Augen. Lynnie strich mit einem Finger über das Bild. Kate setzte sich zu ihr und schlug das Buch auf. Lynnie fühlte, wie sich ihr Mund zu einem Lächeln verzog, und sie strengte sich an, das Wort auszusprechen, das sie vor vielen Jahren mit Nah-nah immer gesagt hatte: »Wow-wee, eee!«
    »Ich sehe schon, du bist heute richtig gesprächig. Besser, ich schalte das Radio wieder ein.«
    Lynnie betrachtete den Einband, während Kate aufstand und zum Fenster ging, um die Musik aufzudrehen. Jetzt wurde You are the sunshine of my life gespielt.
    Lynnie kannte auch dieses Lied, und sie summte die Melodie mit, ohne die Augen von dem süßen kleinen Haus zu wenden. Aus diesem Grund bekam sie nicht mit, dass Kate am Fenster stehen geblieben war.
    »Das ist interessant«, sagte Kate schließlich.
    Lynnie sah auf. Als sich Kate nicht zu ihr umdrehte, stand sie auf und stellte sich neben sie.
    Drei Männer gingen langsam über den Weg. Lynnie erkannte den grauhaarigen Dr. Everett, der mit dem Finger auf die einzelnen Gebäude deutete und redete. Die anderen beiden waren ihr fremd. Der eine, ein gut aussehender junger Mann mit einem Bärtchen, hörte zu und nickte hin und wieder. Der andere war bulliger, hatte einen Pferdeschwanz und trug einen weiten Mantel.
    »Das ist seltsam«, meinte Kate. »Was geht da vor?«
    Die Männer blieben stehen und blickten zur Krankenstation, dann drehten sie sich zur Turmuhr.
    Lynnie erinnerte sich an ihre Übung vom letzten Monat und gab sich alle Mühe: »Eeeer?«
    Kate sah sie an. Lynnie streckte den Finger aus. »Eeer?«
    »Wer?«
    Lynnie nickte.
    Kate grinste stolz. »Den älteren kennst du. Das ist Dr. Everett, der Zahnarzt, der von Wilkes-Barre hergekommen ist. Aber ich dachte, er hätte gekündigt.«
    Lynnie nickte. Das hatte sie auch gedacht.
    »Wer die anderen sind, weiß ich nicht genau. Den Dicken hab ich noch nie gesehen, aber den Jungen kenne ich. Er ist Reporter bei einem Fernsehsender. John-Michael Malone.«
    Während die Männer den Turm mit der Uhr musterten, fasste der Dicke in die Manteltasche und holte etwas heraus, was Lynnie noch nie gesehen hatte. Er hielt das Ding an seine Augen und drehte sich zum Turm.
    »Guter Gott«, sagte Kate. »Sie haben eine Kamera dabei.« Sie bedachte Lynnie mit einem erstaunten Blick. »Eine Kamera! Weißt du, was das bedeuten könnte?«
    Die Männer setzten ihren Weg zu den Wohncottages fort.
    »Komm«, rief Kate und eilte zur Tür.
    Kate und Lynnie liefen, so schnell sie konnten, ohne aufzufallen, hinter den Männern her.
    Die Anwesenheit der drei verletzte alle Regeln, stellte Kate fest. »Es wird aber auch Zeit«, fügte sie mit einem breiten Grinsen hinzu. Die Männer wandten sich Lynnies Cottage A-3 zu, und als sie die Stufen hinaufstiegen, sagte Kate: »Der hat mehr Mumm als ich.«
    Sie und Lynnie stürmten ins Haus A-3.
    Die drei Männer waren auf dem Weg zum Gemeinschaftsraum, in dem Consuella und Hockey, die Pfleger der Tagesschicht, mit Spielkarten in den Händen vor dem Fernseher saßen und sich General Hospital ansahen, während die Insassen mit leerem Blick auf den Bildschirm starrten. Hockey drehte den Kopf, als die Männer hereinkamen, und während Dr. Everett auf ihn zuging, hörte Lynnie ihn sagen: »… Zahnarzt … führe die Studenten herum …« Hockey konnte es nicht leiden, wenn er eine seiner Geschichten, wie er die Fernsehserien nannte, verpasste, und wedelte ungehalten mit der Hand.
    »Ich fasse es nicht«, hauchte Kate.
    Sie standen in der Tür und beobachteten die Vorgänge. Consuella und Hockey gönnten den Fremden keinen zweiten Blick, als die erst zum Waschraum, dann zum Schlafsaal gingen.
    »Ich hoffe, sie kommen bis zu Z-1«, sagte Kate, »Und zum Friedhof.«
    Bevor Lynnie sich versah, kamen die drei zurück. Jetzt, da sie sich näherten, sah Lynnie, dass John-Michael Malone das Gesicht verzog – genauso musste sie ausgesehen haben, als ihr zum ersten Mal der Gestank in die Nase gestiegen war. John-Michael Malone wirkte seriös wie Onkel Luke und bewegte sich mit festen Schritten, aber er war längst nicht so blasiert und sah auch nicht über die verschmutzten Wände, das Loch in der Decke und den Zustand der Insassen hinweg. Er nahm jedes Detail wahr, schnell, aber mit großer Aufmerksamkeit. Was er sah, schien ihn regelrecht zu schockieren.
    Plötzlich marschierte John-Michael Malone direkt auf Lynnie zu, warf einen Blick auf Kate, die

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