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Die Geschichte eines schoenen Mädchens

Die Geschichte eines schoenen Mädchens

Titel: Die Geschichte eines schoenen Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Simon
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beiden Händen am Ruder geradeaus starrte. Wie Martha in einem Brief an die erwachsene Julia schreiben sollte, hatte er die Antwort, nach der er suchte, erhalten, und sie spürte bei dieser Bootsfahrt zum letzten Mal den Kloß im Hals. Sie legte die Hand auf die von Pete.An diesem Abend schrieb Martha einen Brief an einen ihrer früheren Schüler, sie berichtete, was sie aus Büchern erfahren hatte, und erklärte, was sie sich von ihm erhoffte.
    Am nächsten Morgen ging sie mit Julia zum Postkasten am Straßenrand neben ihrer Einfahrt. Julia las die Buchstaben, die die Zweige auf dem Weg bildeten. Jetzt, da sie die Buchstaben zu Worten zusammenfügen konnte, fand sie ganz leicht diejenigen, die in ihrem Namen vorkamen.
    Ich mag nur ein unbedeutender Mensch sein , dachte Martha. Aber auch ein einzelner kann etwas bewirken.
    »Willst du den Brief einwerfen?«, fragte sie.
    Julia nahm ihr das Kuvert aus der Hand. »An wen geht der?«
    »Sag du es mir.«
    Julia schaute konzentriert auf die Adresse. »John-Michael!«, sagte sie nach einer Weile. »Das ist mein Onkel – er arbeitet beim Fernsehen.«
    »Das stimmt«, bestätigte Martha.
    Martha öffnete die Klappe, Julia stellte sich auf die Zehenspitzen und schob Grammys Brief durch den Schlitz.
Eine große
Veränderung
1973
    Lynnie konnte nach wie vor die Zeit nicht bestimmen. Aber sie wusste, dass seit der Nacht, in der sie Buddy und das Baby verloren hatte, das Laub schon viele Male von den Bäumen gefallen war. Sie war mit Doreen auf dem Weg zu Kates Büro. Ein eisiger Wind riss die letzten Blätter von den Ästen, aber Doreen nahm weder die fallenden Blätter noch Lynnies gequälten Blick zur Kenntnis. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt, über die Neuigkeiten zu berichten, die sie am Morgen auf ihrer Postrunde erfahren hatte. Sie hatte zwei Verwaltungsangestellte belauscht, die sich über die neue Regelung, was die Fernseher in den Cottages betraf, unterhielten: Man wollte die Geräte vergittern, damit nur das Personal die Kanäle wechseln konnte. »Sie sagen, dass dadurch eine Menge Streitigkeiten verhindert würden, aber in Wirklichkeit heißt das etwas ganz anderes, nämlich nie wieder Family Feud, Green Acres oder Kermit . Nur das olle langweilige Zeug.« Im Hauptbüro hatte sie bemerkt, dass Onkel Lukes Sekretärin Maude eine neue Brille trug. »Eines sage ich dir, wenn du sie auf der Straße sehen würdest, könntest du schwören, sie ist Jackie O.« Doreen war wie ein Rundfunksender, und normalerweise hörte Lynnie ihr gern zu. Heute jedoch hatte sie Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren.
    Lynnie war auf dem Weg zu Kates Büro, und jedes Jahr schenkte ihr Kate an dem Tag, an dem die letzten Blätter von den Bäumen fielen, ein neues Buch. Dann saß Lynnie an Kates Schreibtisch, blätterte eine Seite nach der anderen um, während ihr Kate die Geschichte vorlas. Bücher faszinierten Lynnie. In einem einzigen Buch kann ein einsamer Elefant aus einem Staubkorn, das eine ganze Welt enthält, entstehen – und mächtige Feinde niederkämpfen, um diese Welt vor der Zerstörung zu retten. Ein sanfter Bulle, der in eine Stierkampfarena getrieben wird, ist so glücklich, wenn er den Duft der Blumen riechen darf, die sich die Ladys in die Haare gesteckt haben, dass er in seinen Garten zurückgeschickt wird. In Büchern passierten tolle große Veränderungen. In der Schule jedoch nur ganz kleine.
    Zum Beispiel bei Albert. Lynnie beobachtete gerade jetzt, wie Albert, der einzige andere taubstumme Insasse neben Buddy, ein Auto in eine Lücke dirigierte. Albert liebte Uniformen so sehr, dass er jedes Mal Freudenschreie ausstieß, wenn er einen Uniformierten in einem der Filme entdeckte, die sie sich jede Woche anschauten. Lynnie war nie dahintergekommen, wieso er sich so sehr dafür begeisterte – seine Gesten waren ganz anders als die von Buddy, der ihn auch nicht verstand. Wie Buddy auch hatte er das Vertrauen der Leitung gewonnen und bekam das Privileg zugestanden, selbst zu wählen, welche Arbeit er verrichten wollte. Er entschied sich, den Parkplatz zu beaufsichtigen. Jemand schenkte ihm eine alte Uniform, und er wies dem Personal die Plätze zu und wischte die Windschutzscheiben mit einem Tuch ab. Das schien ihn ein wenig glücklicher zu machen. Lynnie wusste jedoch, dass er immer noch eine einzige Zahnbürste mit seinen Mitbewohnern im Cottage teilen musste.
    Während sie Albert zuschaute, fiel ihr etwas Ungewöhnlichesauf: Dr. Everett, der schon seit einiger

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