Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)
Einer ist ein ganzes Stück weiter vorn. Ein Pärchen, das sich gestritten hat, spekuliert er. Normal wäre es zusammenzubleiben.
Sehr nützlich, so ein Mountainbike. Mitsamt Fahrradtaschen, und was immer in den Taschen drin sein mag.
Zeb versteckt sich im Ufergebüsch, wartet, bis der Erste vorbeigefahren ist. Eine Frau, blond, mit den Edelstahlschenkeln einer Nussknackergöttin in ihren glänzenden hautengen Radlerhosen. Unter dem stromlinienförmigen Helm blinzelt sie in den Wind, zieht grimmig die Stirn mit den spärlichen Augenbrauen über der hippen Sonnen-/Windschutzbrille in Falten. Und weg ist sie, holper-di-holper, der Arsch so knackig wie ein Tittenimplantat, und jetzt kommt der Typ, in gebührendem Abstand, schlecht gelaunt und mit runtergezogenen Mundwinkeln. Sie ist stinksauer auf ihn, er spürt die Peitsche. Was für ein Elend, und Zeb kann ihn daraus befreien.
»Uarrhh«, brüllt Zeb, oder etwas in dieser Art.
»Uarrhh?«, fragt Toby lachend.
»Na, du weißt schon«, sagt Zeb.
Die Kurzform: Grollend platzt er in seinem Bärenfell aus dem Gebüsch und stürzt sich auf den Typen. Die Zielperson stößt ein gequältes Jaulen aus, es scheppert, er stürzt. Braucht nicht mal extra einen über die Rübe, die arme Sau, der sieht so schon Sterne. Jetzt schnapp dir das Rad mit den Satteltaschen und mach, dass du weggkommst.
Als er einen Blick zurückwirft, sieht er, dass sich das Mädchen umgedreht hat. Er sieht ihn regelrecht vor sich, den soeben noch zusammengekniffenen Mund, und wie er sich öffnet zu einem runden O wie in »O weh«. Jetzt wird es ihr leidtun, dass sie den armen Kerl so zusammengestaucht hat. Sie wird kehrtmachen und zurückdonnern, sich hinknien und trösten, schaukeln und wiegen, an Kratzern tupfen und Tränen vergießen. Der Junge wird zu sich kommen und einen Blick in ihre unbebrillten Augen werfen, dieser Vollpfosten, und alles, was immer es war, wird vergeben und vergessen sein. Dann werden sie ihr Telefon nehmen und Hilfe rufen.
Was werden sie sagen? Er kann es sich ungefähr ausmalen.
Als er außer Sichtweite ist, den Hügel runter und um die Kurve, geht er die Satteltaschen durch. Welch ein Schatz: eine Pokerhand Kickriegel, irgendein Analogkäseprodukt, eine Windjacke, ein Campingkocher mit Gaskartuschen, ein Paar trockene Socken, Ersatzstiefel mit dicken Sohlen – zu klein, aber er wird die Zehen rausschneiden. Ein Handy. Und das Beste, eine Identität: Das kann er gebrauchen. Er zertrümmert das Handy und versteckt es unter einem Stein, ehe er sich mitsamt dem Fahrrad querfeldein durch die matschige Tundra schlägt.
Zum Glück stößt er auf ein aufgerissenes Palsa, zweifellos von einem zornigen Grolarbär auf der Suche nach flüchtigen Eichhörnchen. Zeb beginnt sich selbst und das Fahrrad in die feuchte schwarze Erde einzugraben, wobei er zwischen den Torfstücken ein Guckloch lässt. Nach langer feuchter Wartezeit kommt der Schrauber. Er schwebt über der Stelle, wo die beiden jungen Radler sich zitternd in den Armen liegen und Gott im Himmel danken, und dann wird die Leiter runtergelassen und irgendwann danach wird das Pärchen hochgezogen und von dem tieffliegenden Schrauber davongetragen, flapp flapp, surr surr. Da werden sie was zu erzählen haben.
Und sie erzählen. Nachdem er längst sein Bärenfell abgelegt, in einem Tümpel versenkt und in das vom Schicksal bereitgestellte frische Sportzeug geschlüpft ist, nachdem er sich ein Stück hat mitnehmen lassen, sich beträchtlich frisch gemacht und die Frisur verändert hat, nachdem er gewisse Identitätsmerkmale des Radlers gehackt und durch ein auswendig gelerntes Hintertürchen etwas Bargeld rangeschafft und dabei schnell den eigenen Cashflow aufgestockt hat, liest er nach seiner Ankunft in Whitehorse von der ganzen Sache.
Es gibt ihn doch, den Bigfoot, und er ist in die Mackenzie Mountain Barrens gewandert. Nein, ein Bär kann es nicht gewesen sein, denn Bären können nicht fahrradfahren. Jedenfalls war dieses Vieh über zwei Meter groß, hatte fast menschliche Augen und roch abscheulich, und es hatte allerlei Anzeichen von menschlicher Intelligenz. Es gibt sogar ein Foto, aufgenommen mit dem Handy des Mädchens: ein brauner Klumpen mit einem roten Kreis drum herum, um klarzustellen, welcher von den vielen braunen Klumpen der richtige ist.
Innerhalb von einer Woche haben sich Bigfoot-Gläubige aus aller Herren Länder zu einem Suchtrupp zusammengetan und eine Expedition zum Ort der Sichtung gestartet,
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