Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)
Käsequanten. Er zog sich die Socken an, faltete die Aludecken zusammen und stopfte sie in seine Taschen – die verfluchten Teile wieder zurück in ihre kleinen Umschläge zu kriegen war wie immer unmöglich –, packte sein improvisiertes Schweinchen-Schlau-Werkzeug sowie die Reste seines Picknicks ein und wagte einen Blick aus der Tür.
Überall Nebel. Grau wie ein Lungenemphysem. Auch gut, denn jetzt wäre die Sicht eingeschränkt, eine gute Abschreckung für Schnüffler aus der Luft. Auch wenn das weniger gut war für Zeb, denn jetzt wäre die Orientierung eher mäßig. Aber sicherlich musste man einfach nur dem gelben Ziegelsteinweg folgen wie beim Zauberer von Oz, nur ohne Ziegelsteine und ohne Smaragdstadt am Ende.
Nur zwei Richtungen waren möglich: nordöstlich nach Norman Wells, kein einfaches Fortkommen auf einer verrotteten, von Gletschersteinen übersäten Strecke; oder südwestlich in Richtung Whitehorse, durch die kalten, nebelverhangenen Bergtäler. Beide Ziele lagen in weiter Ferne, und wenn er hätte wetten müssen, hätte er nicht auf sich gesetzt. Doch die Whitehorse-Route stieß auf der Yukon-Seite auf eine echte Straße, eine Straße, die für motorisierte Fahrzeuge noch geeignet war. Da stünden die Chancen besser, mitgenommen zu werden. Oder so ähnlich. Oder wie auch immer.
Er marschierte los, durch den Nebel, immer über den abgetragenen Kies. Wäre das ein Film, würde er langsam verblassen und wäre irgendwann weg, und dann käme der Abspann. Aber halt, halt, noch war er am Leben. »Genieß den Augenblick«, sagte er zu sich.
Ja ich wander zu den Schlampen, und dann bin ich wieder frei
Ja die treiben mich in den Wahnsinn
Und ich singe doch dabei
Hollahi, fick ins Knie, Hollaho, in den Po …
»Du nimmst das alles nicht ernst«, schimpfte er mit sich. »Ach, halt die Schnauze«, entgegnete er. »Immer die alte Leier.« Selbstgespräche führen, nicht so positiv. Selbstgespräche auch noch in voller Lautstärke, noch schlimmer. Er war noch nicht im Delirium, obwohl – konnte man’s wissen?
Am Vormittag gegen elf war der Nebel weggebrannt, der Himmel färbte sich blau, ein Wind begann zu wehen. Hoch aus der Luft beschatteten ihn zwei Raben, sie drehten ihm ein Auge zu, tauschten unhöfliche Bemerkungen über ihn aus. Sie warteten, dass irgendetwas anfing, an ihm zu nagen, um mitmischen und einen Snack abgreifen zu können: Raben waren nicht sehr geschickt, wenn es darum ging, den ersten Schnitt zu machen; sie schlossen sich immer anderen Jägern an. Er aß einen Kickriegel, er kam an einen Fluss mit einer ausgewaschenen Brücke, er musste sich entscheiden: lieber nasse Stiefel oder nackte Krüppelfüße? Er entschied sich für die Stiefel, zog sich aber vorher die Socken aus. Das Wasser war unfassbar kalt. »Muss das so kalt sein?«, fragte er sich zu Recht.
Dann musste er sich entscheiden, entweder die Socken wieder anzuziehen und feucht werden zu lassen oder sich dem zweifelhaften Genuss hinzugeben, barfuß in Stiefeln weiterzulaufen, was die bereits gelaufene Blase weiter akzentuieren würde. Die Stiefel selbst wären bald tendenziell sinnlos.
»Du hast ein ungefähres Bild«, sagt er. »Und so weiter und so fort. So ging das den ganzen Tag, und es wehte der Wind und es schien die Sonne.«
»Wie weit bist du gegangen?«, fragt Toby.
»Schwer zu schätzen. Entfernungen haben keine Bedeutung da draußen. Sagen wir einfach, nicht weit genug«, sagt er. »Und inzwischen hatte ich nichts mehr im Tank.«
Er verbrachte die Nacht zusammengekauert zwischen zwei Felsblöcken, und trotz der beiden knisternden Aludecken und des Feuers aus toter Weide und Birke vom Flussufer fror er erbärmlich.
Beim nächsten rosa Sonnenuntergang waren seine Vorräte aufgebraucht. Inzwischen hatte er aufgehört, sich wegen der Bären verrückt zu machen; er sehnte sich fast danach, einem fetten Exemplar über den Weg zu laufen, von dem er sich gleich ein Stück abbeißen würde. Er träumte von kleinen Fettaugen, die wie Schneeflocken durch die Luft schwebten, aber es waren keine Flocken, sondern richtige Kügelchen. Er träumte, wie sich der Schnee auf ihm niederließ, in die Höhlen und Falten seines Körpers fiel und ihn aufpolsterte. Das Hirn bestand zu hundert Prozent aus Cholesterin, er brauchte den Beschleuniger, er lechzte danach. Er sah das Innere seines Körpers bildhaft vor sich, die Rippen über dem Hohlkörper, der mit Zähnen gespickt war. Wenn man in einem solchen Fetttreiben die
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