Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)
ab dem das Üppige und Schmelzende verkrustet und verhärtet, ab dem die fruchtbare See zur Wüste verdörrt, und anscheinend haben sie das Gefühl, dass Toby diesen Punkt überschritten hat. Kräutermixturen brauen, Pilze sammeln, mit Maden heilen, Bienen züchten, Warzen behandeln – das sind die Aufgaben eines alten Mütterchens. Das ist ihr Platz.
Und was Zeb anbelangt, kommt er ihnen vermutlich weniger komisch als rätselhaft vor. Von ihrer soziobiologischen Warte aus sollte er eigentlich das tun, was Alphamännchen am besten können: die ihm zustehenden, ihn anschmachtenden, mannbaren Weibchen schwängern und seine Gene über diejenigen weitergeben, die, anders als sie, tatsächlich gebärfähig sind.
Warum verschwendet er also sein kostbares Sperma, müssen sie sich fragen, anstatt so klug zu sein und sie beispielsweise in die ihm offerierten Eierstöcke einer Swift-Fuchs zu investieren. So jedenfalls sieht sie das wahrscheinlich, wenn man nach ihrer Körpersprache geht: das Geklimper mit den Wimpern, die vorgeschobenen Brüste, die zurückgeworfenen Haare, das Darbieten der Achselhöhlen. Damit steht sie den Crakern mit ihrem blauen Unterleib in nichts nach. Oder den Pavianen.
Hör auf, Toby, sagt sie zu sich. Genau so fängt das an, im kleinen Kreis der Gestrandeten, der Schiffbrüchigen, der Besiegten: Eifersucht, Zwietracht, ein Riss in der Mauer des gemeinschaftlichen Denkens. Dann kommt der Feind ins Haus, der Mörder, der Schatten, er schlüpft durch die Tür, die wir versäumt haben abzuschließen, weil wir zu sehr mit uns selbst und unseren dunkleren Seiten beschäftigt waren: weil wir unsere nichtigen Aversionen kultiviert, uns unseren albernen Ressentiments hingegeben, uns gegenseitig angeherrscht und mit Geschirr beworfen haben.
Gruppen unter Belagerung neigen zu solchen latenten Streitereien, Verleumdungen und internen Machtkämpfen. Bei den Gärtnern waren damals genau zu diesem Thema Sitzungen zur inneren Einkehr abgehalten worden.
Seitdem sie ein Liebespaar sind, träumt Toby, dass Zeb verschwunden ist. Im wahren Leben verschwindet er tatsächlich, noch während sie träumt, denn zu zweit haben sie nicht genug Platz auf Tobys schmalem Bett in ihrer Besenkammer von einem Zimmer. Also schleicht sich Zeb mitten in der Nacht davon wie der Liebhaber in einer alten englischen Herrenhauskomödie, um sich durch die Dunkelheit zurück zu seiner eigenen beengten Nische zu tasten.
Doch in ihren Träumen ist er wirklich weg – weit weg, niemand weiß wo –, und Toby steht draußen vor dem Zaun des Lehmhauses, sieht die Straße hinunter, die mittlerweile von Kudzuranken überwuchert ist und unter Bauschutt und kaputten Autos verschwindet. Irgendwo blökt es leise oder weint da jemand? »Er kommt nicht wieder«, sagt eine wasserfarbene Stimme. »Er kommt nie wieder zurück.«
Es ist die Stimme einer Frau: Ist es Ren, ist es Amanda, ist es Toby selbst? Das Szenario ist süßlich und sentimental, wie eine Grußkarte in Pastelltönen – im Wachzustand fände sie’s furchtbar –, aber Träume kennen keine Ironie. Sie weint so viel, dass ihre Kleider feucht werden von ihren Tränen, leuchtende Tränen, die wie grün-blaue Gasflammen in der Dunkelheit flackern, die sich gerade über sie senkt, oder ist sie in einer Höhle? Doch dann kommt ein großes katzenartiges Tier, um ihr Trost zu spenden. Es schmiegt sich an sie und schnurrt wie der Wind.
Sie erwacht und stellt fest, dass ein kleiner Crakerjunge in ihrem Zimmer steht. Er hat den Rand des feuchten zerwühlten Lakens gelüftet und streichelt sanft ihr Bein. Er duftet nach Orangen und etwas anderem. Zitrus-Raumspray. Sie riechen alle so, aber die Jüngeren ganz besonders.
»Was machst du da?«, fragt sie so ruhig wie möglich. Meine Zehennägel sind dreckig, denkt sie; dreckig und splittrig. Nagelschere: auf die Sammelliste setzen. Im Vergleich zur jungfräulichen Haut dieses Kindes ist ihre Haut wie Schmirgelpapier. Leuchtet er von innen heraus oder ist seine Haut so feinkörnig, dass sie das Licht reflektiert?
»O Toby, du hast ja Beine da drunter«, sagt der Junge. »Genau wie wir.«
»Ja«, sagt sie. »Habe ich.«
»Hast du auch Brüste, o Toby?«
»Auch das«, sagt sie lächelnd.
»Sind es zwei? Zwei Brüste?«
»Ja«, sagt sie und muss sich auf die Zunge beißen, um nicht hinzuzufügen: »Bisher zumindest.« Erwartet er eine einzige Brust oder drei oder vier oder sechs Zitzen wie bei einem Hund? Hat er überhaupt schon mal einen
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