Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)
Hunger. Die Entstörung schwebte über dem Wrack und bestimmt murmelte der Pilot dabei Ach-du-Scheiße, die-armen-Kerle, die-hatten-ja-keine-Chance. Dann flog auch er davon, zurück in Richtung Whitehorse. Als das rötliche Abendlicht aufkam und der Nebel sich senkte und die Temperaturen fielen, machte Zeb im Innern des Gebäudes auf einem Stück Metall, um nicht gleich die Bude abzufackeln, ein kleines Feuer; so würde der Rauch gegen die Decke ziehen und sich gleichmäßig verteilen. Keine verräterische Rauchsäule bilden. So wurde ihm ein bisschen warm. Dann machte er sich was zu essen. Dann aß er.
»Einfach so?«, fragt Toby. »War das nicht ein bisschen abrupt?«
»Was?«
»Na ja, das war doch … ich will ja nur sagen …«
»Du willst sagen, weil’s Fleisch war? Machst du jetzt auf Vegetarier?«
»Sei nicht gemein.«
»Hätte ich erst ein Tischgebet sprechen sollen? Lieber Herr Jesus, wir danken dir, dass Chuck so ein Flachwichser war und dass er mir auf so selbstlose, wenn auch wahrlich bescheuerte Weise diese Speise bescheret hat?«
»Du machst dich lustig.«
»Dann verschon mich mit dem Gärtnergedöns.«
»Moment mal! Du warst doch selber bei den Gärtnern. Du warst die rechte Hand von Adam Eins, du warst ein Stützpfeiler der …«
»Na ja, damals schon nicht mehr. Stützpfeiler, genau. Außerdem ist das ne ganz andere Geschichte.«
Bigfoot
So einfach war’s natürlich auch wieder nicht. Zeb säbelte das Fleisch in kleine Stückchen und nahm ein rostiges Stück Draht als Bratspieß, und er hielt sich einen Vortrag – Man muss sich schließlich vernünftig ernähren! Wie willst du denn sonst hier oben überleben? Ein wenig würgen musste er dennoch. Zum Glück hatte er jede Menge Übung darin, sich von dem zu distanzieren, was er sich in den Mund schob, kürzlich noch von dem Schlangenfraß bei der Bärenbrücke – ein beliebter Proteinzusatz waren tatsächlich Raupen und Larven in getrockneter und gemahlener Form.
Seine ersten Versuche diesbezüglich stammten jedoch aus früheren Zeiten und gehörten zu den Straflektionen Hochwürdens, nämlich: Wer ein dreckiges Mundwerk hat, soll seinen eigenen Dreck fressen. Wie soll man dabei nicht riechen, nicht schmecken, nicht denken: genau wie die drei Affen auf dem Miniölfass auf der Kommode seiner Mutter, die nichts sehen, nichts hören und nichts sagen und somit ein perfektes Rollenvorbild abgaben. Hast du dich übergeben? Was hast du denn da am Kinn? Er hat gesagt, Du bist ein Hund, friss deine Kotze. Er hat mich mit dem Kopf ins … Zebulon! Du sollst nicht lügen. So etwas würde dein Vater niemals tun, das weißt du genau! Er liebt dich!
Falltür zu, Felsblock drüber, nicht mehr dran denken. Viel wichtiger war es jetzt, warm zu bleiben. In der Ecke lag etwas bröselige Teerpappe, besser als nichts. Er breitete sie über den Boden und hoffte, dass sie als Dämmstoff etwas taugen würde. Trockene Socken hätten auch geholfen; er baute sich ein kleines Indianerzelt aus Stöcken, hängte die feuchten Socken über die Glut seines kleinen Feuers und hoffte, dass sie ihm nicht anbrennen würden. Dann legte er mehrere mittelgroße Steine in die Kohlen. Er packte seine kalten Füße in die Daunenweste, faltete die beiden reflektierenden Aludecken auseinander, seine und Chucks, hüllte sich in die Decken und legte sich die heißen Steine unter. Lektion Nummer eins: immer für eine warme Körpermitte sorgen. Immer dafür sorgen, dass einem die Füße nicht abfallen, sonst kommt man nicht weiter. Immer dran denken, dass fingerlose Hände wenig nützen, vor allem dann, wenn die Feinmotorik gefragt ist, beispielsweise beim Schnürsenkelbinden.
War das ein Grunzen vor dem Holzhaus, ein Kratzen, heute früh? Das Haus hatte keine Tür, es konnte jeder einfach reinspazieren. Vielfraß, Wolf oder Bär. Vielleicht hatte der Rauch sie abgeschreckt. Hat er geschlafen? Muss wohl. Es wurde allzu schnell wieder hell.
Singend wurde er wach.
Streune hier, streune da
Streune in Amerika
Hab ne Muschi hier am Start
Ist von Kopf bis Fuß behaart …
Junggesellenabschiedsgegröle, total daneben. Putscht aber gut auf. Sofortverbrüderung mit der Steinzeithöhle. »Halt die Schnauze«, sagte er zu sich. »Willst du auf so ordinäre Art sterben?« »Eigentlich egal, guckt ja eh keiner«, konterte er.
Die Socken waren noch nicht trocken, aber trockener. Wie blöd von ihm, er hätte Chucks Socken nehmen sollen, von seinen toten, aber keineswegs vergessenen
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