Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)
seid ihr mit euren Fackeln gekommen, weil ihr Schneemensch-Jimmy helfen wolltet mit seinem kranken Fuß. Und weil ihr gemerkt habt, dass ein paar der Frauen blau waren und ihr euch mit ihnen paaren wolltet.
Das mit den bösen Männern habt ihr nicht verstanden und warum sie gefesselt waren. Es ist nicht eure Schuld, dass sie in den Wald geflüchtet sind.
Nicht weinen.
Ja, Crake muss sehr wütend sein auf die zwei bösen Männer. Vielleicht wird er etwas Donner schicken.
Ja, der liebe, gütige Crake.
Bitte hört auf zu singen.
SEIL
Seil
Aus dem, was an jenem Abend geschah – aus den Ereignissen, durch welche das Böse wieder in die Welt kam –, machte Toby später zwei Geschichten. Die erste Geschichte war diejenige, die sie den Kindern des Crake erzählte; sie nahm ein glückliches Ende oder zumindest ein so glückliches Ende wie möglich. Die zweite, die sie nur für sich schrieb, war weniger heiter. Sie handelte zum Teil von ihrer eigenen Blödheit, von ihrer Unaufmerksamkeit, aber auch von Geschwindigkeit. Es ging alles so schnell.
Natürlich war sie müde; sie muss einen Adrenalinsturz gehabt haben. Immerhin war sie seit zwei Tagen in Aktion gewesen, mit viel Stress und wenig zu essen.
Am Tag zuvor hatten sie und Ren die sichere Lehmhausenklave der MaddAddamiten verlassen. Dort lebten einige wenige Überlebende der globalen Pandemie, die die Menschheit ausgelöscht hatte. Sie waren Rens Freundin Amanda auf der Spur und hatten sie gerade rechtzeitig gefunden, denn die beiden Painballer, die sie in Gebrauch hatten, hatten sie fast aufgebraucht. Toby kannte die Mittel und Wege solcher Männer: Fast wäre sie selbst von einem solchen getötet worden, bevor sie zu den Gottesgärtnern kam. Jeder, der Painball mehr als einmal überlebt hatte, hatte nur noch sein Reptilienhirn. Sex, bis man auf den letzten Fingernagel abgenutzt war – das war ihre Methode; danach wurde man zu Hackfleisch verarbeitet. Sie aßen mit Vorliebe die Nieren.
Toby und Ren hatten im Gebüsch gehockt, während die Painballer darüber stritten, was sie essen und ob sie die Craker angreifen sollten und was als Nächstes mit Amanda geschehen sollte. Ren hatte schreckliche Angst; Toby konnte nur hoffen, dass sie nicht in Ohnmacht fiel, aber eigentlich hatte sie ganz andere Sorgen, denn sie hätte eigentlich schießen müssen. Aber auf welchen zuerst, den Bärtigen oder den Kurzhaarigen? Würde der andere genug Zeit haben, sein Spraygewehr zu schnappen? Amanda wäre weder in der Lage zu helfen noch wegzulaufen: Sie hatte ein Seil um den Hals, und der Bärtige hatte sich das andere Ende um sein Bein gebunden. Eine falsche Bewegung von Toby, und Amanda wäre tot.
Dann war ein fremder Mann aus dem Gebüsch getorkelt, sonnenverbrannt, übersät mit Schorf, nackt und mit einem Spraygewehr bewaffnet, und fast hätte er sie allesamt erschossen, einschließlich Amanda. Aber Ren hatte einen Schrei ausgestoßen und war auf die Lichtung gerannt, und das war Ablenkung genug gewesen. Toby war mit der Flinte im Anschlag vorgetreten, Amanda hatte sich losgerissen, und die Painballer waren mithilfe von Tritten in den Unterleib und einem Stein unschädlich gemacht und mit ihrem eigenen Seil und ein paar Stoffstreifen aus Tobys rosa AnuYu-Sonnenumhang gefesselt worden.
Ren hatte sich um Amanda gekümmert, die wahrscheinlich unter Schock stand, und auch um den schorfigen, nackten Mann, den sie Jimmy nannte. Sie hatte ihn in den Umhang gehüllt und redete leise auf ihn ein; offenbar war er vor langer Zeit einmal ihr Freund gewesen.
Jetzt, wo wieder Ordnung herrschte, hatte Toby das Gefühl, entspannen zu können. Sie hatte wieder zu sich gefunden, indem sie einer Gärtnerübung folgend ihren Atem dem beruhigenden Rhythmus der nahen Wellen angepasst hatte – wisch-wasch, wisch-wasch –, bis sich ihr Pulsschlag normalisiert hatte. Dann hatte sie eine Suppe gekocht.
Und dann war der Mond aufgegangen.
Der aufgehende Mond war das Zeichen für den Beginn des Gärtnerfests Sankt Juliana und Allerseelen: eine Feier von Gottes Zärtlichkeit und Barmherzigkeit für alle Geschöpfe. Das Universum liegt in seiner Hand, wie uns Sankt Juliana von Norwich in ihrer mystischen Vision vor langer Zeit lehrte. Es muss Vergebung herrschen und Liebe und Güte, der Kreis muss stets geschlossen bleiben. Aller Seelen heißt: die Seelen ausnahmslos aller, egal, was sie getan haben könnten. Zumindest von Mondaufgang bis Monduntergang.
Was man einmal bei den Adams und
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