Die Geschichte von Zoe und Will
nie gesehen, doch ich weiß, was es ist. Menschen wie ich wissen das instinktiv.
»Sag mir, was los ist.«
WILL
WENN ICH ES IHR ERZÄHLE , flippt sie aus.
Wenn ich es ihr nicht erzähle, bin ich ein Lügner.
Sie wartet auf meine Antwort. Wartet, als hätte sie alle Zeit der Welt, und sie wird es nicht auf sich beruhen lassen, bis ich es ihr verrate. Ich frage mich, was das Richtige wäre, was ein echter Mann in meiner Lage tun würde, und alles, was mir dazu einfällt, ist, dass ein echter Mann nicht in dieser Lage wäre. Nur verkorkste Versager wie ich, bei denen immer gleich die Sicherung durchbrennt.
»Da war so ein Bericht in den Nachrichten. War nur kein guter.«
Ihr Blick ist so eindringlich, dass es sich anfühlt, als würde sie mich berühren. Aber ihre Hände liegen in ihrem Schoß, verknoten sich. Sie will nicht in meine Nähe kommen, bis sie weiß, was zum Teufel los ist.
»Was soll das bedeuten? Kein guter?«
Ich kurble das Fenster runter und strecke den Arm raus, um die Kälte zu spüren. Die Luft ist eine Mischung aus Sand und Unkraut, noch vor Kurzem hat sie nach Freiheit gerochen, aber jetzt bin ich mir nicht mehr sicher, wonach sie riecht. Ich bin mir bei nichts mehr sicher, abgesehen von Zoe, dass ich alles für sie tun würde, und dieser Straße, die sich Meile um Meile vor uns erstreckt. Ich weiß nur nicht, ob die Meilen lang genug sind.
»Wir könnten sofort nach Kalifornien fahren. Nicht in Vegas halten. Misty treffen. Oder … du wolltest doch mal Mexiko sehen? Das könnten wir tun. Einfach immer weiterfahren. Bis ganz runter nach Mexiko. Schön braun werden. Uns entspannen. Tequila am Strand trinken. Wirklich frei sein.«
Zoes Hände hören auf zu kneten.
»Was? Will … Mich interessiert Mexiko nicht die Bohne. Und ich habe keinen Pass. Was hat Mexiko überhaupt mit all dem zu tun? Will, halt den Wagen an. Halt an!«
Ich tue, was sie verlangt, denn zum ersten Mal seit ich denken kann, brauche ich jemanden, der mir sagt, was ich tun soll. Die Entscheidungen, die ich selber treffe, sind Mist. Ich brauche jetzt Zoe, die mir den Weg zeigt.
Wir kommen in einer Senke mit sandigem Schotter zum Stehen, und sie steigt aus. Sie wartet auf mich. Aber wenn ich jetzt aussteige, muss ich ihr die Wahrheit sagen. Ich umklammere das Lenkrad und schnauze mich innerlich an, nicht so ein Waschlappen zu sein.
Als ich sie erreiche, starrt sie hinaus in die Wüste. Einen knappen Meter von uns entfernt ist ein Skorpion, aber sie bemerkt ihn gar nicht. Ich bin fasziniert von seinem gekrümmten Schwanz, dem Panzer auf seinem Rücken. Ich fühle mich für dieses Leben schlechter gewappnet als ein Insekt, das ich mit meinem Absatz zertreten könnte. Ich stampfe mit dem Fuß in seine Richtung, und er huscht unter einen Strauch.
Sie streckt die Hand nach mir aus. »Was ist passiert?«
Das ist schon besser. Ich musste einfach nur aus dem Auto raus, weg vom Lärm des Motors, dem Lärm in meinem Kopf. Der Wagen ist ruhig, ebenso wie die Wüste, und ich sehe jetzt klarer. Ich werde Zoe alles erzählen. Es darf keine Geheimnisse zwischen uns geben, und zusammen werden wir alles schaffen.
»Er ist tot.«
Eine Minute lang sagt sie nichts. Ich höre, wie sie schluckt.
»Wer?«
»Der Kerl. Der im Laden.«
Alles, was ich hoffe, ist, dass sie nicht wegläuft und sich wie der Skorpion unter einem Busch versteckt.
»Der, den du mit der Flasche niedergeschlagen hast?«
Ich nicke nicht oder mach sonst irgendwas, aber sie versteht, weil sie keine weiteren Fragen stellt. Wir starren zu den leicht ansteigenden, mit Sträuchern bedeckten Hügeln in der Ferne.
»Erzähl es mir einfach. Lass mich nicht fragen, wie oder was passiert ist.«
Also erzähle ich ihr, was ich in den Nachrichten im Diner gehört habe. Dass der Kerl schlecht gelaunt nach Hause gegangen ist, seine Frau angeschrien hat und ins Bett gefallen, dann aber nicht mehr aufgewacht ist. Dass die Hirnblutung immer schlimmer wurde, bis sie ihn schließlich umgebracht hat. Von der Frau, die mit ihrem Kind auf dem Parkplatz war, als sie im Laden ein Handgemenge gehört und zwei Teenager gesehen hat, die hinausgelaufen sind. Dass unsere Gesichter auf einem Schwarz-Weiß-Video zu sehen sind. Und von der Marke, dem Modell und der Farbe des Autos, nach dem die Polizei sucht.
Aber ich erzähle ihr nicht, dass ich jetzt, wo ich darüber nachdenke, was das alles bedeutet, während ich es ihr verrate, nicht so tun kann, als hätte ich keine Angst.
Ich drehe mich
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