Die geschützten Männer
nur einem Auge wie ein Vogel.
»Was machen Sie hier?« fragt sie scharf.
Mir reicht dieser Terrorismus, und ich kontere.
»Das müssen Sie doch wissen. Sie haben mich kommen lassen.«
Mich trifft ein vernichtender Blick, aber wiederum nur aus einem Auge, wie ich bemerke.
»Tun Sie nicht so, als verstünden Sie meine Frage nicht. Was machen Sie hier, an meinem Swimmingpool?«
Der Tonfall besagt, daß ich nicht würdig bin, hier meinen Fuß hinzusetzen.
»Die Person, die sich im Wohnzimmer aufhielt, war von meiner Anwesenheit nicht erbaut.«
»Welche Person?« fragt sie von oben herab. »Hier gibt es nur eine Person, das bin ich.«
Wenn nicht einmal das Mädchen im Umschlagtuch der menschlichen Gattung angehört, in welche Kategorie werde ich dann eingeordnet?
|218| »Kommen Sie, ich will das klarstellen«, sagt sie.
Und mit langen Schritten, die wippende Peitsche in ihren Händen, geht sie eilig in Richtung Wohnzimmer. Ich folge ihr.
Ein unerwarteter Anblick. Das Mädchen mit dem duftigen Haar liegt nackt in voller Länge auf dem Bauch, das Gesicht in die
Felldecke des Diwans vergraben. Sie schluchzt.
»Was ist denn, Audrey?« fragt Helsingforth.
»Dieser schreckliche Mensch«, sagt Audrey, sich aufrichtend, und zeigt anklagend mit dem Finger auf mich, »hat versucht, mich
zu vergewaltigen.«
Entrüstet schreie ich: »Aber das stimmt nicht!«
Was ebenfalls nicht stimmt, ist Audreys Tonfall. Ihre Augen, ihr Schluchzen, ihre Pose, ihre Nacktheit. Man könnte sie für
eine drittklassige Schauspielerin halten, die ein Regisseur vergeblich mit ihrer Rolle vertraut zu machen versucht. Sie kommt
als »vergewaltigt« nicht an.
»Audrey«, sagt Helsingsforth ungerührt, »hören Sie auf zu flennen, und erzählen Sie mir alles der Reihe nach.«
Aber auch Helsingforth spielt schlecht. Sie überbetont ihren Gleichmut.
»Dieses Scheusal«, sagt Audrey …
Ich könnte aus der Haut fahren. Alles ist verlogen, die Worte, die Betonung …
»Dieses Scheusal«, fährt Audrey fort, »hat sich sofort auf mich gestürzt, als es ins Zimmer kam. (Wie einleuchtend!) Glücklicherweise
konnte ich ihm entwischen, zum Revolver greifen und ihm bedeuten hinauszugehen.«
Ihm bedeuten! Nun auch noch dieser hochgestochene Stil!
»Das ist von Anfang bis Ende erlogen«, sage ich.
Unglücklicherweise sage ich es, anstatt es zu schreien. Es klingt absolut nicht überzeugend. Auch ich fange an, schlecht zu
spielen. Vielleicht bin ich von dem mittelmäßigen Spiel meiner Partnerinnen angesteckt.
Helsingforth wendet mir ihre rechte Gesichtshälfte zu und schwingt ihre Peitsche; ganz so, als wollte sie einen ungehorsamen
Hund zum Kuschen bringen, fragt sie, ohne ihre Stimme zu erheben:
»Fertig?«
»Sehen Sie«, sagt Audrey, immer noch schluchzend, »er hat meinen Slip und meinen Büstenhalter zerrissen!«
|219| Sie deutet mit dem Finger auf die Beweisstücke, die auf dem Fell verstreut liegen, zusammen mit dem Revolver, der mich »in
die Flucht gejagt hat«. Erleichtert stelle ich fest, daß Helsingforth die Waffe nimmt, in die Nachttischschublade einschließt,
den Schlüssel einsteckt und sich dann vor Audrey aufpflanzt. Da ihre Größe und ihr breiter Rücken mich daran hindern, mein
»Opfer« zu sehen, trete ich einen Schritt zur Seite, wahre aber den Abstand. Ich bin so gut wie sicher, daß Helsingforth nicht
zögern würde, mich zu schlagen, wenn ich noch einmal den Mund aufmachte.
»Weshalb, glauben Sie, hat Martinelli den Träger Ihres Büstenhalters abgerissen?« fragt sie mit vernichtender Ruhe.
»Doch wohl, um meine Brüste zu sehen«, sagt Audrey und senkt die Augen.
Helsingforth lacht und zeigt mit einem riesigen Finger auf Audreys schmächtigen Körper.
»Sie schmeicheln sich, Liebling: bei Ihnen gibt es nichts zu sehen.«
Sie lacht. Wenigstens darin ist sie natürlich. Boshaftigkeit steht ihr besser zu Gesicht als Gleichmut. Sie macht eine unerwartete
Handbewegung: Sie nimmt den Büstenhalter vom Diwan, führt ihn an ihre Nase und schnuppert daran.
»Ich habe gewußt, daß Sie lügen!« sagt sie drohend.
»Hilda!«
»Sie lügen, Sie kleines Miststück. Dieser Büstenhalter riecht nicht einmal nach Schweiß. Aber eine Frau schwitzt natürlich,
wenn sie vergewaltigt wird. Erstens, weil sie Angst hat. Zweitens, weil sie sich wehrt. Sie lügen, Sie lügen mir ins Gesicht.
Sie hatten schon die Stirn, sich Martinellis Besuch zu widersetzen, und jetzt versuchen Sie, den Besuch zu
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