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Die geschützten Männer

Die geschützten Männer

Titel: Die geschützten Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Helsingforth gebracht. 3. Und das vor allem: sie warnt mich für den
     Fall, daß H. H mich nach der Jespersen-Geschichte befragen sollte.
    Kein Zweifel, ich habe in Jackie eine Verbündete.
    Wie erwartet, macht Schuschka zahllose Schwierigkeiten. Sie dreht und wendet sich, um nicht mit dem Wasser in Berührung zu
     kommen. Und Jackie entschließt sich, ihren Wallach als ersten in die Strömung zu treiben. Das Manöver gelingt. Schuschka gibt
     nach. Während wir hintereinander das Wasser durchqueren, das den Pferden fast bis an den Bauch reicht, sehe ich, wie Jackie
     die in kleine Stücke zerrissene Mitteilung in die Strömung wirft. Ich betrachte ihren geraden Rücken und ihren kräftigen blonden
     Nacken. Ein Gefühl tiefer Dankbarkeit steigt in mir auf.
    Als wir aus dem Wasser herauskommen, wartet Jackie auf mich, damit ich sie überhole und wieder voranreite. Sie hält die Augen
     gesenkt, und alles an ihrer Haltung fordert mich zum Schweigen auf. Ich respektiere den wortlosen Hinweis. Doch |214| nach etwa hundert Metern, als Schuschka im Schritt eine steile Anhöhe bewältigt, wende ich mich halb im Sattel um und schaue
     sie an. Ihre energischen grauen Augen begegnen den meinen. Nein, bei diesem Blickwechsel ist keine Sexualität im Spiel, höchstens
     in diffuser Form, residual. Mir wird ein Freundschaftspakt angeboten. Ich bin verwirrt, bewegt. Ich sehe Jackie mit völlig
     anderen Augen. Selbst die Waffen, mit denen sie ausgerüstet ist, haben einen anderen Sinn bekommen. Zum ersten Mal, seit ich
     in Blueville bin, haben die Anfangsbuchstaben, die meinen Status bezeichnen, auf ironische Weise eine Rechtfertigung gefunden:
     ich bin ein
protected man.
     
    Ich wende mich abermals auf meinem Pferd um, und Jackie deutet mit dem Kopf ein Ja an. Auf der weiten, leicht abfallenden
     Lichtung ein hölzerner Bungalow. Fünfzig Meter weiter ein Schuppen. Und dahinter ein Pferdestall, in dem wir unseren Pferden
     die Sättel abnehmen, jeder in einer anderen Box.
    »Kommen Sie«, sagt Jackie.
    Jetzt gehen wir beide auf gleicher Höhe, und ich mustere sie unauffällig von der Seite. Sie ist wieder unzugänglich, aber
     beunruhigt. Ich sehe es ihren Augen an, daß ihr etwas zu schaffen macht. Und da sie ihre Nervosität unter Kontrolle zu halten
     versucht, werde ich noch nervöser.
    Der Bungalow ist nicht so anspruchslos, wie ich geglaubt hatte. Als ich, von Jackie gefolgt, die Wiese überquere, entdecke
     ich ein langes, ährenförmiges Gebäude: ein überdachter Swimmingpool, nach der Verglasung zu urteilen. Das Ganze in tropischen
     Hölzern. Kurzum, ein kleines, bescheidenes Anwesen, das sicher ein Vermögen gekostet hat.
    Ein schmaler, mit Stiefeln und Mänteln vollgestopfter Vorraum, wo ich meinen Regenmantel lasse. Jackie stößt eine Glastür
     auf, wir gehen an der Schmalseite des Swimmingpools entlang, an dessen äußerem Ende sich eine weitere Tür befindet, die Jackie
     öffnet.
    »Warten Sie hier«, sagt sie so laut, als spräche sie vor Publikum. »Helsingforth wird bald kommen.«
    Daraufhin macht sie auf dem Absatz kehrt. Mit Bedauern sehe ich ihren blonden Nacken, ihre kräftigen Schultern und sogar ihre
     mir jetzt befreundeten Waffen verschwinden.
    |215| Ich trete ein. Man kann nicht das geringste erkennen, trotz einer breiten, rechteckigen Fensternische, welche die Aussicht
     auf eine Gebirgslandschaft freigibt, die unter einem dichten Regenschleier und weißen Nebelschwaden liegt. Vage leuchtet ein
     kupferner Rauchfang, doch im Kamin gegenüber der Fensternische keine Flamme, nur etwas Glut inmitten der Asche. Decke und
     Wände sind, soweit ich es erkennen kann, mit rötlichem Holz verkleidet. Neben dem Kamin zeichnet sich ein riesiger Diwan ab,
     dessen Formen sich in einer dunklen Ecke verlieren.
    Ich schließe die Tür und gehe zögernd ein paar Schritte in Richtung Fensternische. Große dunkle Wolken über dem Wald, weißer
     Nebel in den Schluchten. Dämmerlicht. Das Gebirge macht keinen einladenden Eindruck. Diesseits der Glaswand ist es nicht besser.
     Das Zimmer ist zwar nicht kalt, doch es strahlt eine Atmosphäre aus, die mich erstarren läßt. Ich habe das Gefühl, als ob
     die Dinge hinter meinem Rücken mich bösartig ansehen. Eine Täuschung, sicherlich, das sage ich mir immer wieder. Doch der
     Eindruck bleibt. Ein prüfender Blick in die Runde. Mit der Holzverkleidung und dem kupfernen Rauchfang (der einzige Gegenstand,
     den ich deutlich erkenne) ist es ein recht wohnliches

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