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Die geschützten Männer

Die geschützten Männer

Titel: Die geschützten Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Sie schwimmt so schnell, daß sich vor ihrem Gesicht eine Art Mulde bildet, die es fast überflüssig macht, daß
     sie ihren Kopf zur Seite wendet. Vor allem aber beeindrucken mich ihre heroischen Maße (sie muß mindestens eins neunzig groß
     sein) und ihre Muskulatur, die viel Kraft verrät, obwohl |222| sie gut verpackt ist. Während ich ihren Bewegungen folge, kommt mir der Gedanke, daß die Frau im Zusammenleben zwischen Mann
     und Frau – wenn es dergleichen künftig überhaupt noch gibt – die Vorrangstellung einnehmen wird, sofern die Frau weiterhin
     das herrschende Wesen in unserer Gesellschaft bleibt und ihre körperliche Beschaffenheit – Wuchs, Gewicht und Muskeln – sich
     möglicherweise auf Grund der bewußten sportlichen Erziehung innerhalb weniger Generationen verändert.
    Helsingforth hat mir acht Längen angekündigt. Bei der achten drücke ich auf die Stoppuhr, als ihre Finger die Fliesen berühren.
     Sie ist mit ihrer Zeit unzufrieden und beschuldigt mich, schlecht gemessen zu haben. Sie steigt mit gerunzelten Brauen aus
     dem Wasser, greift triefend nach zwei Handtüchern und wirft mir eines davon zu. Ohne mich anzusehen, sagt sie schroff: »Trocknen
     Sie mir den Rücken ab.«
    Nach einer Sekunde des Zögerns gehorche ich. Wenn es zu einem Streit mit ihr kommen soll, dann nicht wegen einer Lappalie.
     Und sie glaubt offensichtlich, sich alles erlauben zu können. Wegen ihrer Millionen? Oder wegen ihrer körperlichen Kraft,
     mit der ich im Augenblick unmittelbar konfrontiert bin (meine Augen befinden sich in Höhe ihrer Schulterblätter) und die mir
     angst macht, weil ich weiß, daß sie keine Sekunde zögern würde, sie gegen mich einzusetzen? Ich bin entschlossen, sie vor
     allem nicht diese Angst merken zu lassen. Später wird mir klar, daß diese Entscheidung spontan erfolgte. Sie entspricht jenem
     Instinkt, der den Frauen gebietet, niemals den Anschein zu erwecken, als fürchteten sie sich vor der Kraft des Mannes, mit
     dem sie liiert sind; Frauen wollen auf solche Weise vermeiden, im Manne das Tier zu wecken, vor dem sie Angst haben.
    Mein Handtuch rubbelt und rubbelt, und mit Erstaunen stelle ich fest, daß ich an dieser gewaltigen Abtrocknerei Gefallen finde.
     Das Pigment der Haut ist so glatt, die Formen sind so schön und trotz ihrer Massigkeit so unleugbar weiblich, daß ich dies
     Spiel länger als nötig ausdehne. Seltsamerweise können mich dabei weder Helsingforths Wildheit noch ihre Körpermaße einschüchtern.
    »Das reicht jetzt«, sagt Helsingforth. Ohne sich umzudrehen, streckt sie die Hand aus, um sich das Handtuch geben zu |223| lassen, und wirft es über ihre Schultern. Dann bückt sie sich, um sich mit dem zweiten Handtuch das Haar zu trocknen.
    »Martinelli«, fragt sie nach einer Weile, »wie finden Sie mich?«
    Sie steht vor mir in jener eigenartigen Pose, die mir zuvor schon an ihr aufgefallen war, das Gesicht fast im Profil; beide
     Augen blicken mich von der Seite an.
    »Meinen Sie körperlich?«
    »Ja.«
    Mich wundert nichts mehr. Ich war ihr Abtrockner, jetzt bin ich ihr Spiegel. Lange betrachte ich diesen Riesennarziß von oben
     bis unten und sage dann:
    »Außergewöhnlich.«
    »Was soll das heißen, außergewöhnlich?«
    »In der Größe, in der Schönheit und in den Proportionen.« Sie sieht mich mißtrauisch an.
    »Was haben Sie gegen meine Proportionen einzuwenden?«
    »Nichts.«
    »In welcher Hinsicht sind sie außergewöhnlich?«
    »Ihr Beckengürtel ist schmaler als das Schulterband.«
    »Kein Kauderwelsch, Doktor. Reden Sie deutlich.«
    »Ihre Schultern sind breiter als Ihre Hüften.«
    »Ist das außergewöhnlich?«
    »Bei einer Frau, ja.«
    Sie runzelt die Brauen. Sie hat es leicht, mich von oben herab anzusehen, und sie sagt in olympischem Tonfall: »Dok tor , Sie hinken hinterher. Die traditionellen Begriffe von Männlichkeit und Weiblichkeit sind heute völlig überholt.«
    Na also! Weiß ich das etwa nicht? Wo man es mir die ganze Zeit eintrichtert? Wie konnte ich das neue Evangelium vergessen?
     Es gibt keine Heterochromosomen XX mehr! Auch keine Eierstöcke, keine Eizellen, keine Absonderung von Gelbkörperhormon! Und
     selbstverständlich keinen Muttermund, keinen Uterus und keine Vagina! Vorbei mit den Schamlippen und der Klitoris! Menstruation,
     abgeschafft! Keine Brüste, kein Stillen, keine Schwangerschaft mehr! Auch kein Unterschied mehr im Herzrhythmus! Und wenn
     ich mir nur erlauben wollte, in harmloser Form darauf

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