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Die geschützten Männer

Die geschützten Männer

Titel: Die geschützten Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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geschossen.«
    »Pussy hat die Nerven verloren, und die Dinge lagen anders: Jespersen hat gegen die Vorschriften verstoßen, Sie aber folgen
     einem Befehl.«
    »Dieser Befehl kann eine Falle sein.«
    »Eine Falle?«
    »Wenn ich diesem Weg folge, können Sie mich erschießen und dann behaupten, ich hätte zu fliehen versucht.«
    Bei diesen Worten sehe ich sie vorwurfsvoll an. Ich provoziere sie, das ist mir klar. Ich zweifle an ihrer Aufrichtigkeit,
     die ich innerlich nicht mehr in Frage stelle.
    »Doktor!« sagt sie entrüstet.
    Sie errötet. Diesmal nicht aus Zorn, sondern weil sie gekränkt ist. Und weil sie diese zarte Haut hat, durch die das Blut
     durchschimmert, rötet sich ihre Haut zusehends zwischen Stirn, Backenknochen und dem runden, in die Uniformjacke gezwängten
     Hals.
    »Doktor«, fährt sie aufgebracht fort, »ich bin keine SS-Bestie!«
    Das überrascht mich ziemlich. Ich hätte nicht gedacht, daß sich diese junge Milizionärin so gut in der Geschichte auskennt.
    |212| »Also gut«, sage ich, »wenn Sie mich beruhigen wollen, reiten Sie mir voraus. Ich werde Ihnen folgen.«
    »Das kann ich nicht machen«, erwidert sie sofort. »Das wäre ein Fehler.« Und da ich eisern schweige, fügt sie hinzu: »Ich
     bitte Sie, Doktor.«
    Ich sehe sie an. Ihre Augen sind von einem schönen, tiefen Grau, das durch das Schwarz der dichten Wimpern – obwohl sie blond
     ist – noch besser zur Geltung kommt. Dieses »Ich bitte Sie« ist wirklich eine Bitte und keine Floskel. Sie hat leise gesprochen.
    »Verbürgen Sie sich für meine persönliche Sicherheit?« frage ich.
    Sie wendet ihren Blick nicht ab und sieht mir fest in die Augen, als sie sagt: »Ja, solange Sie mit mir zusammen sind.«
    Eine doppeldeutige Antwort, mit der ich mich wohl zufriedengeben muß. Im übrigen wird Schuschka ungeduldig. Sie hatte ihre
     geweiteten Augen während dieses Wortwechsels starr auf den Wallach gerichtet und war sehr unruhig, so daß ich sie zwei- oder
     dreimal auf der Stelle wenden ließ, um sie von ihrem Aggressionstrieb abzulenken.
    »Gut«, sage ich, »ich vertraue Ihnen.«
    Und weil der »verbotene Weg« geradlinig ansteigt, schlage ich ihn ein und setze mich in Galopp. Für Schuschka scheint diese
     Entspannung sehr willkommen zu sein. Ausgelassen jagt sie den Weg entlang und läßt Wasser und Sand aufspritzen. Der Wallach
     folgt ihr.
    Fünf Minuten später gehe ich zum Schritt über. Wir kommen an einen steilen Abhang, zu dessen Füßen uns ein Hindernis erwartet.
     Eine lehmige Senke, in der sich aus einem kleinen Tal strömendes Wasser angesammelt hat, schneidet uns den Weg ab. Von Überspringen
     kann keine Rede sein. Die Senke ist zu groß. Wenn Strömung und Tiefe es erlauben, bleibt als einzige Möglichkeit, eine seichte
     Stelle zu finden.
    Jackie kommt heran.
    »Wir müssen durch«, sagt sie entschieden.
    Ich schüttele den Kopf.
    »Nicht, bevor wir wissen, wie tief es ist.«
    Ich steige ab, befestige Schuschka an einem beweglichen Tannenast, suche und finde im Unterholz einen toten Ast, entferne
     die Nadeln, damit er sich leichter handhaben läßt, trete |213| bis zu halber Stiefelhöhe ins Wasser und tauche das Lot so tief wie nur möglich ein. Ich glaube, daß es gerade noch gehen
     wird. Das Wasser hat eine ziemlich starke Strömung, doch die Aufheiterung an diesem Nachmittag hat sich für uns günstig ausgewirkt.
     Das Wasser fließt nicht sonderlich reißend ab, und wir laufen nicht Gefahr, abgetrieben zu werden.
    Ich drehe mich um. Jackie, die die Zügel auf den Hals des Wallachs gelegt hat, ist in eine unerwartete Beschäftigung vertieft:
     sie schreibt in einem kleinen Notizbuch. Im selben Moment blickt sie hoch und fordert mich durch ein Zeichen auf, näher zu
     kommen. Als ich in Höhe ihrer Knie bin, zeigt sie mir das Notizbuch, ohne es aus der Hand zu geben, und ich lese:
H. H. weiß alles über den Zwischenfall Jespersen.
    Ich nicke bejahend, ebenfalls wortlos, und entferne mich dann, um Schuschka loszubinden und aufzusitzen. Ich bin überrascht.
     Jackie hat mir soeben völlig spontan drei Mitteilungen gemacht, die für mich äußerst wichtig sind. 1. Sie hat geschrieben
     und nicht gesprochen: sie nimmt also an, daß man uns mit einer elektronischen Abhöranlage folgen kann. Ich frage mich: Hat
     H. H. auf diese Weise über den Zwischenfall Jespersen »alles erfahren«? 2. Sie bestätigt mir, was ich bereits vermutet hatte,
     woran ich aber nicht glauben wollte: ich werde zu Hilda

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