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Die geschützten Männer

Die geschützten Männer

Titel: Die geschützten Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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kleines Zimmer. Aber ich fühle mich als Eindringling. Ich habe den seltsamen,
     beängstigenden und lähmenden Eindruck, daß mich ein feindseliger Blick überallhin verfolgt. Ich schüttle mich, gebe mir einen
     Ruck, stecke die Hände in die Hosentaschen und gehe im Zimmer einige Schritte auf und ab. Eine sehr schwache Beleuchtung.
     Aber weil ich Ton und Inhalt von Helsingforths Briefen noch in Erinnerung habe, wage ich nicht einmal, den Schalter zu suchen
     und Licht zu machen. Mir ist, als stieße ich überall in diesem Zimmer auf Abwehr und Tabus. Ich fühle mich hier jeglicher
     Rechte beraubt – selbst des Rechts, anwesend zu sein.
    Die kurze Wartezeit, die mich demoralisieren soll, zieht sich in die Länge. Ein alter, bewährter Trick, der jedoch funktioniert,
     ich spüre es an meiner starken Erregung. Also gut, ich werde das Spiel durchkreuzen und mich ablenken. Ich versuche, das Feuer
     zu entfachen. Auf jeden Fall sehe ich dann mehr. Ich hocke mich hin und schiebe zwei angekohlte Scheite in die Glut.
    Die Flamme schießt empor. Hinter meinem Rücken peitscht eine Stimme.
    |216| »Lassen Sie das Feuer! Niemand hat Ihnen gesagt, es anzufachen!«
    Ich richte mich auf. Eine Lampe geht an und blendet mich. Ich blinzle mit den Augen. Im entferntesten Winkel des riesigen
     Diwans bemerke ich ein etwa zwanzigjähriges Mädchen, das an der Holztäfelung lehnt, in ein herbstlaubfarbenes Umschlagtuch
     gehüllt, unter dem ihre nackten Füße hervorschauen. Wenn jemals ein Gesicht dem »schwachen Geschlecht« anzugehören schien,
     so ist es dieses. Mit seinem grazilen Hals, den zarten Zügen, den matten Augen und dem Kranz duftiger blonder Haare scheint
     es Gestalt gewordene zerbrechliche Weiblichkeit zu sein. Doch ihr Gesichtsausdruck gleicht keineswegs dem eines Engels. Das
     Äußere ist beruhigend, nicht der Blick.
    »Verzeihen Sie mein Eindringen«, sage ich. »Es ist sehr dunkel hier, ich hatte Ihre Anwesenheit nicht bemerkt.«
    Kurzes höhnisches Lachen.
    »Das ist mir keineswegs entgangen. Es war sehr erbaulich, Sie zu beobachten. Sie glaubten sich allein und sind hier auf und
     ab gegangen, als ob das Zimmer Ihnen gehörte. Sie sahen aus wie ein kleiner Hahn, der sich aufplustert. Jede Ihrer Gebärden
     verriet die Überheblichkeit, den Egoismus und die schlechte Erziehung des Manntieres. Es war komisch und gleichzeitig abstoßend.«
    Die Brutalität dieses Angriffs verschlägt mir die Sprache. Als ich meiner Stimme wieder mächtig bin, sage ich trocken. »Wenn
     meine Gegenwart Sie abstößt, verstehe ich nicht, warum Sie mich kommen ließen.«
    »Ich habe Sie nicht kommen lassen.«
    »Sind Sie nicht Hilda Heslingforth?«
    »Natürlich nicht«, sagt sie mit abgrundtiefer Verachtung. »Was mich betrifft, sei Ihnen gesagt, daß ich mit einem PM nichts
     zu tun haben will. Ich habe mein möglichstes getan, Ihren Besuch zu verhindern, Sie sind gegen meinen Willen hier.«
    Sie fauchte das mit haßsprühenden Augen wie eine Katze heraus und keuchte vor Wut, den gekrümmten Rücken gegen die Holztäfelung
     gelehnt.
    Ich drehe mich um und gehe auf die Glastür zu.
    »Wo wollen Sie hin?« zischt sie hinter meinem Rücken.
    |217| »Ich will in der Halle des Swimmingpools auf Helsingforth warten.«
    »Sie täten besser daran, überhaupt zu verschwinden!« schreit sie mit gellender Stimme. »Diesen Rat gebe ich Ihnen! Sie wissen
     nicht, was Sie erwartet!«
    Ich antworte nicht und schließe die Tür hinter mir. In der Tat, ich weiß nicht, was mich erwartet, aber ich weiß, daß ich
     keine Sekunde länger mit dieser Verrückten in einem Zimmer bleiben darf. Ich bin wirklich sehr mitgenommen. Um wieder ruhiger
     zu werden, drehe ich eine Runde um den Swimmingpool. Ich hole mehrmals tief Luft, ziehe die Hände aus den Hosentaschen und
     versuche, nicht ohne Mühe, sie zu entkrampfen.
    »Mich aufplusternd«, wie es das Mädchen eben nannte, habe ich die große Fensternische der Südwand erreicht, als am anderen
     Ende eine Tür zuknallt und mit langen, energischen Schritten eine Frau hereinkommt, deren Proportionen mich in Erstaunen setzen.
     Sie hält eine Reitpeitsche in der Hand und trägt Reithosen, Stiefel und einen Rollkragenpullover. Sie bleibt sofort stehen,
     als sie mich gewahrt, und nimmt eine merkwürdige Haltung ein. Diese herkulische Frau steht mir direkt gegenüber, hat aber
     ihr Gesicht nach links gewendet und bietet mir nur die rechte Gesichtshälfte dar; so sieht sie mich von der Seite an, mit
    

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