Die geschützten Männer
lacht.
»Stimmt! Soll ich’s Ihnen sagen?« fährt sie fort.
»Wenn Sie wollen.«
Sie mustert mich überaus spöttisch, prustet fast los vor Lachen, und in ihren jugendlichen Augen züngelt es vor Freude.
»Also, gut, Doktor, ich nannte ihn Ralph!«
Daraufhin ergötzt sie sich an meinem Gesichtsausdruck und hört gar nicht mehr auf zu lachen. Während sie sich vor Lachen krümmt
und ihr Anfall von Fröhlichkeit das ganze Bett schüttelt, belauern mich ihre Augen. Und nachdem ihr Lachen abgeflaut ist,
legt sie mit vollkommener Natürlichkeit ihre Hand auf meinen Schenkel und läßt sie dort liegen, während sie mich unverwandt
ansieht. Langsam wird ihr Gesicht wieder ernst, ihr Augenausdruck verändert sich und meiner auch, scheint mir.
»Gut«, sagt sie, als sei ihr Entschluß gefaßt. Und mit den Zehenspitzen entledigt sie sich ihrer Stiefel und schleudert einen
nach dem andern schwungvoll durchs Zimmer. Dann schnallt sie rasch ihr Koppel ab, rollt es um die Pistole und wirft alles
hinter sich auf das Bett.
Obwohl die Begierde auf mich übergegriffen hat, wird mir doch die Ironie der Situation bewußt. Da liegt überall im Zimmer
verstreut die militärische Ausrüstung herum, deren sie sich mit männlicher Hast zu entledigen suchte: In diesem Augenblick
bin ich die Zuflucht des Kriegers.
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|244| ZWÖLFTES KAPITEL
Gleich nach unserer Ankunft in Blueville gehe ich zu den Pierces, Dave abzuholen. Er schläft noch, und mir fällt auf, daß
Rita, obwohl sie allein ist (Pierce und Johnny sind vor dem Frühstück schwimmen gegangen), keinen Versuch unternimmt, die
Abhöranlage auszuschalten und mich zu einem Bericht unter vier Augen zu drängen. Dabei ist nicht zu übersehen, daß sie vor
Neugierde vergeht. Ihre Falkenaugen lassen nicht von mir ab, und während ich Dave mit den üblichen Vorkehrungen wecke, umkreist
sie mich, schnuppert an mir herum wie ein Jagdhund. Als ich mich dann verabschiede, lächelt und blinzelt sie mir mit geheimem
Einverständnis zu. Ich bin beunruhigt. Wenn man schon an meinem Körpergeruch merkt, was für eine Nacht ich verbracht habe,
wäre ich wohl gut beraten, mich zu duschen.
Ich nehme sogar ein Bad und schlafe in dem kühl werdenden Wasser beinahe fest ein. Dave erinnert mich daran, daß es in der
Cafeteria nach neun kein Frühstück mehr gibt. Wie stets, ist er sehr diskret und taktvoll; er stellt mir keinerlei Fragen,
während ich mich rasiere, die Wäsche wechsle und mich anziehe. Durchaus salonfähig, wie ich glaube, begebe ich mich – nachdem
ich die Spuren meiner wilden Nacht auf angelsächsische Art mit Wasser und Seife beseitigt habe – auf den Weg zum Schloß. Mit
Dave, der mir sehr aufmerksam zuhört, führe ich leise ein Gespräch unter Männern, um ihm zu sagen, daß ich nichts sagen kann,
bis auf die Episode mit dem Sturzbach, die ich übertreibe, und die Zuflucht im Wald, die ich beschreibe. Ich hatte befürchtet,
daß er schmollen würde, doch keine Spur – die langen, schwarzen Wimpern auf den bleichen Wangen zittern bei meinem Bericht
vor Interesse.
In der Cafeteria entscheide ich mich für den Tisch, an dem Rita mit Pierce und Johnny sitzt, und mache einen Bogen um den
Tisch von Stien, der mir bei meinem Eintritt einen keineswegs freundlichen Blick zugeworfen hat. Ich habe keine Lust |245| zu sprechen und baue auf Rita, daß sie das Gespräch bestreiten wird. Sie besorgt das großartig, während sie, mit ihren scharfen
Augen im Saal herumspähend, die Blicke verscheucht, die an diesem Morgen allzuoft an meiner Person hängenbleiben. Ich selbst
schaue nicht von meiner Teetasse hoch, abgesehen von einem kurzen Blick zum Tisch von Burage und Crawford. Wohlgemerkt, zum
Tisch, nicht zu Burage selbst, da ich mich noch gut an Helsingforths beunruhigende Frage nach unseren Beziehungen erinnere.
In dieser Situation möchte ich gern eine Frau sein, um sehen zu können, ohne hinschauen zu müssen, worauf sich Frauen so vortrefflich
verstehen.
Beim Verlassen der Cafeteria laufe ich im Korridor Mr. Barrow über den Weg. Er neigt seinen kahlen, glänzenden Schädel in
meine Richtung und sagt mir seltsamerweise als erster guten Tag, obendrein im Tone schmieriger Mitwisserschaft; seine Knopfaugen
heften sich wie Saugnäpfe auf mich, als wollten sie alle vorhandenen Informationen aus mir herauspumpen. Ich bemühe mich,
meine Augen so ausdruckslos wie möglich erscheinen zu lassen, und teile ihm ganz
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