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Die geschützten Männer

Die geschützten Männer

Titel: Die geschützten Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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stärker.
    Wir kommen ans Ziel.
    »Lassen Sie Schuschka, Doktor«, sagt Jackie, als ich die Stute absatteln will. Nachdem Jackie ihren Wallach in seiner Box
     untergebracht hat, kommt sie in meine Box und sagt in neutralem Ton, während sie die untere Hälfte der Tür sorgfältig hinter
     sich schließt: »Hat Schuschka nicht ein Hufeisen verloren? Halten Sie sie bitte, ich will nachsehen.«
    Ich packe Schuschka am Halfter. Jackie bückt sich, klopft ihr die Köte, während sie »na los, mach schon« sagt, hebt das linke
     Bein, wirft auf das unversehrte, blitzende Hufeisen einen flüchtigen Blick und streckt unvermutet die Hand aus, um mir das
     linke Knie zu tätscheln. »Kopf hoch!« sagt sie. Seltsamerweise tröstet mich diese Geste nicht, im Gegenteil. Mein ungutes
     Gefühl nimmt zu, weil Jackie derlei für nötig befunden hat.
    Ich verlasse die Box. Ich muß hundert Meter auf der Wiese zurücklegen. Dem Gras sind die Regenfälle mehr als zugute gekommen.
     Es wuchert grün und hart in Höhe meiner Hüften zu beiden Seiten des schmalen Pfades, der sich während Helsingforths Abwesenheit
     knöchelhoch mit Grasnarben bedeckt hat. Mein Herz hämmert, und meine Handflächen sind schweißbedeckt. Aber selbst in Augenblicken
     starker innerer Spannung haben geringfügige Unannehmlichkeiten lächerliche Gewalt über uns: ich befürchte mißgestimmt, mir
     nasse Füße zu holen.

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    |294| VIERZEHNTES KAPITEL
    Als ich hinkomme, ist sie im Swimmingpool, nackt. Keine Spur von Audrey. Helsingforth kehrt mir den Rücken zu, und was für
     einen Rücken! Ihr monumentaler, gebräunter Körper schießt im durchschimmernden Wasser dahin und läßt eine schäumende Spur
     hinter sich. Sie erreicht den Satyr, der gurgelnd das Wasser in ein Becken am anderen Ende des Swimmingpools speit, wendet
     und kommt auf mich zu. Zwei Meter von der Stelle am Beckenrand, an der ich mich postiert habe, taucht sie auf, legt ihr Haar
     über die linke Wange und betrachtet mich schweigend. Ich staune, wie sie es fertigbringt, mich so von oben herab anzusehen,
     obwohl sie sich zu meinen Füßen befindet.
    »Stehen Sie nicht da wie angewurzelt!« sagt sie schließlich trocken. »Ziehen Sie sich aus und kommen Sie ins Becken.«
    Ich ziehe mich aus, wenigstens dem Anschein nach bereitwillig, und indessen läßt sie keinen Blick von mir, sicher um mich
     in Verlegenheit zu bringen; sie schätzt mich von Kopf bis Fuß wie ein Pferd ab, das sie kaufen will. (Eigentlich müßte ich
     angesichts unserer unterschiedlichen Körpermaße eher von einem Pony sprechen.) Ich ziehe mich, so gut es geht, aus der Affäre,
     glaube ich. Ich schäme mich jedenfalls nicht. Ich glaube einfach nicht, daß es für einen Mann demütigend ist, sich vor einer
     Frau auszuziehen, wie ihr schwarzes, verächtliches Auge mir weismachen will.
    »Ihre Prüderie ist lächerlich«, sagt sie. »Ziehen Sie doch Ihren Slip aus.«
    »Ich habe auf Ihre Aufforderung gewartet.«
    So wie ich diesen Satz gesagt habe, gehört er zu den winzigen Unverschämtheiten, die ich bei meinem letzten Besuch als die
     beste Waffe des Schwachen entdeckt habe. So weit gehen, daß man trifft, aber nicht so weit, daß es zu einer Bestrafung führt.
     Ein Tyrann kann sich nicht über alles ärgern, das ist unmöglich.
    |295| »Sie haben sich einen Schnurrbart wachsen lassen«, sagt Helsingforth und verzieht ihr Gesicht. »Das paßt nicht zu Ihnen. Das
     ist geradezu ein Mißgriff.«
    Ich erwidere nichts und tauche einige Meter. Als ich wieder hochkomme, halte ich mich durch leichte Bewegungen der Hände und
     Füße oben, ohne mich fortzubewegen.
    »Ist das alles, was Sie können?« fragt Helsingforth streng.
    »Ich kann auch ein wenig schwimmen.«
    »Dann schwimmen Sie!«
    Ich füge mich. Ich kraule bis zur Satyrmaske und kehre zu ihr zurück, ohne das Tempo wirklich zu steigern; ich achte hauptsächlich
     auf den Stil. Als ich innehalte und zu ihr hinblicke, sagt sie:
    »Das ist wenigstens etwas. Die Fußarbeit ist schlecht, aber die Armbewegungen sind korrekt.«
    Wenigstens einmal, zum erstenmal, hat sie fast normal gesprochen, ohne Verachtung, ohne Aggressivität, ohne sichtlichen Drang,
     mich zu demütigen: Die Technik hat über den Sadismus gesiegt.
    Das verschlägt mir die Sprache, und sie muß mein Erstaunen bemerkt haben, denn sofort runzelt sie die Brauen und sagt, von
     ihrer menschlichen Anwandlung selbst überrascht, in brutalem Tonfall: »Gehen wir raus.«
    Um die Wahrheit zu sagen,

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