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Die geschützten Männer

Die geschützten Männer

Titel: Die geschützten Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Position wissen Sie doch besser als jeder andere, daß ich nicht zur
     Hinrichtung gehe.«
    Helsingforth lacht. Mir fällt erneut auf, daß ihr Lachen etwas von Grinsen an sich hat.
    »Haben Sie das gehört, Audrey? Der Doktor ist Italiener. Er ist natürlich ein Dichter. Sind Sie Dichter, Audrey? Halten Sie
     sich für einen Dichter, weil Sie sich gerne verkleiden?«
    Audrey zittert an allen Gliedern, und ihr Gesicht verzerrt sich. »Aber Sie selbst, Hilda …«, sagt sie mit einem Blick, der
     mich rührt.
    »Ein Beweis, daß sich mein Geschmack ändert«, sagt Helsingforth erbarmungslos. »In Wirklichkeit habe ich Ihre Maskeraden langsam
     satt. Dieser Flitter ist abgeschmackt, das müßten Sie begreifen. Er macht Sie zu allen Ihren Fehlern auch noch lächerlich.«
    Helsingforth drückt die Brust heraus, atmet durch, und ihre Augen weiten sich ein wenig. Ich weiß dieses Zeichen zu deuten:
     sie hat ein anderes Thema gefunden.
    »Und was hoffen Sie mit diesem weißen Kleid zu beweisen, Audrey? Daß Sie Jungfrau sind? Na und? Darauf braucht man sich nichts
     einzubilden. Doktor«, fährt sie fort, als wollte sie mir ihre Sklavin überlassen, »gefällt Ihnen Audrey?«
    |300| »Nein«, sage ich vorsichtigerweise.
    Helsingforth lacht.
    »Und was braucht sie, um Ihnen zu gefallen?«
    »Einige Kilo.«
    »Haben Sie gehört, Audrey? Der Doktor findet Sie zu mager. Und Sie sind auch mager. Mager, Jungfrau und lasterhaft.«
    »Hilda!«
    »Und obendrein blöd«, versetzt Helsingforth, lebhaft werdend. »Blöd genug, die Hirngespinste einer Ruth Jettison als Evangelium
     aufzufassen! So blöd, daß Sie in Ihrem Leben nie über Ihr Gelecke und Getue hinausgekommen sind. Hören Sie, Audrey: ich bediene
     Bedford, weil sie meinen Interessen dient, aber ich pfeife auf ihre Dogmen. Und mein Vergnügen hole ich mir, bei wem ich will.«
    »Aber Hilda«, sagt Audrey kläglich und schockiert, »Sie wissen doch genau, daß das Vergnügen …«
    »Kleine dumme Frömmlerin, schweigen Sie!« brüllt Helsingforth. »Ihre Dummheit ist bodenlos. Sie wollen mir doch wohl nicht
     erzählen, was ein Orgasmus ist! Wo Ihre Vagina noch nie um einen Penis gezuckt hat!«
    »Hilda!«
    »Und obendrein prüde! Gehen Sie, dummes Ding! Scheuern Sie den Fußboden in der Küche und lassen Sie sich nicht mehr blicken.
     Haben Sie gehört: Sie sollen sich nicht mehr blicken lassen. Ich will jetzt mit Martinelli allein sein.«
    Würde mich Audrey nicht so hassen, könnte ich sie bedauern, denn ihr Gesicht ist vor Leid völlig entstellt. Aus den Augenwinkeln
     sehe ich sie davongehen, eine schmächtige, altmodische Gestalt, deren langer, nachschleppender Rock Schnürstiefel aus einem
     vergangenen Zeitalter umspielt.
    Helsingforth, die ihr pechrabenschwarzes Haar über der linken Wange zusammengerafft hat, wendet mir, nackt und unnahbar, ihr
     rechtes Profil zu. Mit finsterem Blick ißt sie und trinkt und wünscht offensichtlich nicht, daß ich sie anspreche. Ich lasse
     es mir gesagt sein. Schweigend schlürfe ich meinen Tee und verschlinge den Toast. Ich wundere mich, daß ich die Geistesgegenwart
     habe, die von Audrey aufgetragene Butter zu genießen. In Blueville gibt es immer nur Margarine.
    »Woran denken Sie, Doktor?« fragt Helsingforth und wirft mir einen Adlerblick zu.
    |301| Jetzt ist es soweit! Jetzt bin ich an der Reihe! Dieser Moloch braucht ständig ein Opfer. Ich raffe meine Kräfte zusammen.
    »An die Butter auf meiner Schnitte.«
    »Sie sehen nicht weiter als bis zu Ihrer Nasenspitze.«
    »Ich habe eben Glück.«
    »Machen Sie sich keine Sorgen um die Zukunft?«
    »Nein.«
    »Sind Sie gar nicht überheblich?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Sie halten sich doch aber für meinen Günstling?«
    »Nein.«
    »Wie lange wird nach Ihrer Meinung dieses Zwischenspiel dauern?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Und wissen Sie, was dann passieren wird?«
    »Ich habe keine Ahnung.«
    »Wollen Sie es wissen?«
    »Nur wenn Sie es mir sagen möchten.«
    »Also, ich werde Audrey erlauben, Sie der Vergewaltigung zu beschuldigen, ich werde ihre Aussagen bekräftigen, und Sie werden
     zu Gefängnis und zur Kastration verurteilt.«
    Ich beschränke meine Antwort auf einen juristischen Einwand.
    »Nur in Kalifornien werden die Leute wegen sexueller Delikte zur Kastration verurteilt.«
    »Ihre Information entspricht nicht dem neuesten Stand, Doktor. Alle Bundesstaaten, einschließlich Vermont, haben sich unter
     Bedford der Gesetzgebung Kaliforniens angeschlossen.«
    Mir

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