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Die geschützten Männer

Die geschützten Männer

Titel: Die geschützten Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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ergriffen die Anti-Bedford-Guerillas überall die Initiative und zwangen den weiblichen Regierungsmilizen, in
     denen die Desertionen anstiegen, Verteidigungsgefechte auf.
    Trotzdem waren angesichts der zunehmend kriegerischen und hysterischen Erklärungen Bedfords, die sie in der Woche vor der
     gegen sie erhobenen Anklage abgab, verheerende Repressalien zu befürchten. In dieser Situation hielt Präsident Defromont in
     Paris eine Pressekonferenz ab, auf der er unter Hinweis auf die schwere Bedrohung Kandas ankündigte, daß französische Atom-U-Boote
     in der Nähe der kanadischen Küste kreuzen würden und daß Frankreich – nach seiner Formulierung – »nicht tatenlos zusehen«
     könne, falls sein Verbündeter angegriffen würde.
    Die pro-bedfordistische Presse warf den Franzosen ein weiteres Mal Prahlerei, Größenwahn und pro-kanadischen Chauvinismus |334| vor; auch daß sie sich ständig im Namen des Weltgewissens in fremde Angelgenheiten einmischten. Doch in der übrigen Welt empfand
     man eine gewisse Erleichterung. In England, dessen Außenpolitik seit dem letzten Weltkrieg völlig den Vereinigten Staaten
     untergeordnet war, faßte ein Leitartikel der
Times
die allgemeine Stimmung zusammen. So unerträglich auch die Arroganz des französischen Präsidenten, dieses »Königs von Frankreich,
     der sich für Gottvater hält«, zuweilen sei, hieß es darin, müsse man ihm in diesem Fall dankbar sein, daß er »ins Fettnäpfchen
     getreten ist«. Hinter dieser saloppen Formulierung steckte eine dringliche Demarche des britischen Premiers bei Bedford, keinerlei
     militärische Initiative gegenüber einem Mitglied des Commonwealth zu ergreifen.
    Glücklicherweise wurden Befürchtungen dieser Art dadurch hinfällig, daß Bedford sich vor dem Senat der Vereinigten Staaten
     verantworten mußte, der als Hoher Gerichtshof unter Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichts zusammentrat. Denn obwohl
     Bedford weiterhin alle Vorrechte der Exekutive für sich in Anspruch nahm, war ihre moralische Integrität offensichtlich zu
     sehr angeschlagen und ihre politische Macht zu sehr gelähmt, als daß sie in der Außenpolitik gegenüber ihrem nördlichen Nachbarn
     eine folgenschwere Initiative hätte ergreifen können.
    Da sich der Prozeß aller Wahrscheinlichkeit nach in die Länge ziehen würde, bereitete ich mich auf einen langen Aufenthalt
     in Ottawa vor. Dazu kam es nicht, aber ich hatte indessen die Genugtuung, mitzuerleben, daß unser Serum industriell hergestellt
     und mit den ersten Impfungen begonnen wurde. Im allgemeinen glaubt man, daß die Epidemie in einem Land unter Kontrolle ist,
     wenn 30 Prozent der Einwohner geimpft sind. Mir war die Geringfügigkeit dieses prozentualen Anteils immer höchst erstaunlich
     vorgekommen, doch erwies er sich auch in diesem Falle als zutreffend. In Kanada sanken die von der Enzephalitis 16 verursachten
     Todesfälle in dem Maße, in dem man sich den schicksalhaften 30 Prozent näherte. Und nachdem diese Schwelle erst einmal überschritten
     war, sank die Zahl der täglichen Fälle zur Bedeutungslosigkeit herab.
    Diese Nachrichten wurden von den illegalen Sendern des
Wir
in den Vereinigten Staaten verbreitet und lösten einen heftigen Sturm gegen Bedford aus. In normalen Zeiten hätte sich der |335| Zorn der öffentlichen Meinung ohne Zweifel zum großen Teil in der Presse entladen, doch war diese immer noch Bedfords Ausnahmeregelungen
     unterworfen und legte eine Zurückhaltung an den Tag, die ihrer Tradition nur sehr wenig entsprach. Infolgedessen wurde die
     Gewalt zum einzigen Ausdrucksmittel der Massen, die in den amerikanischen Städten auf die Straßen und Plätze gingen, um die
     Einfuhr des kanadischen Serums und Bedfords Rücktritt zu fordern.
    Erneut bewiesen die Ereignisse, daß eine Demonstration nur dann Menschenleben kostet, wenn man sich bewaffneter Polizei gegenübersieht.
     In den meisten amerikanischen Städten hatten die Unruhen zwar materielle Schäden, aber kein Blutvergießen zur Folge, weil
     die weiblichen Milizeinheiten zu sehr damit beschäftigt waren, gegen die Guerillas auf dem Lande zu kämpfen, und außerstande
     waren, in den städtischen Zentren einzugreifen. Dagegen artete die Manifestation in Washington, wo Bedford Truppen zu ihrem
     Schutz zusammengezogen hatte, in einen Aufstand aus und der Aufstand in eine regelrechte Schlacht. Auf örtlicher Ebene entstand
     ein bürgerkriegsähnlicher Zustand, der auf beiden Seiten zu Grausamkeiten

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