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Die geschützten Männer

Die geschützten Männer

Titel: Die geschützten Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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führte.
    Die anfangs passive farbige Bevölkerung, die in Washington weitaus in der Überzahl ist, erhob sich schlagartig am fünften
     Tag und wälzte sich durch die Stadt. Es waren Gerüchte in Umlauf, daß Bedford sich angesichts der Opposition im Senat geschlagen
     geben und in Kürze heimlich das Martinelli-Serum einführen werde, das allerdings den Weißen vorbehalten bleiben solle. Betreffs
     der Farbigen habe Bedford verfügt, die Unternehmer sollten ihnen das
Caladium seguinum
in seinem farblosen und geschmacklosen Zustand, wie es ein Wissenschaftler gerade entwickelt hatte, ohne ihr Wissen am Arbeitsplatz
     verabreichen.
    Diese »Nachrichten« entbehrten, wie ich später erfuhr, jeglicher Grundlage, und das
Wir
war in keiner Weise für ihre Verbreitung verantwortlich. Sie tauchten bei den Farbigen spontan auf, infolge der moralischen
     Überhitzung, deren Ursache die angespannte Situation und das jahrhundertealte Gefühl der Unsicherheit war. Bezeichnenderweise
     hatte es auf dem Höhepunkt der Epidemie in der Mehrzahl der Bundesstaaten eine Art Waffenstillstand zwischen Farbigen und
     Weißen gegeben. Aber dieser Waffenstillstand fand sein Ende, sobald die Rede davon war, die Krankheit zu bekämpfen. Noch bevor
     das Serum in den |336| Vereinigten Staaten auftauchte, fühlten sich die Farbigen bereits von seiner Verwendung ausgeschlossen.
    Aus einem Reflex, den man als rassistisch bezeichnen muß, beging der Chef der weiblichen Milizeinheiten in Washington, Evelyn
     B. Cropper, einen enormen Fehler. Sie konzentrierte das Gros ihrer Truppen dort, wo sie glaubte, den Vormarsch der Farbigen
     stoppen zu müssen, die zwar zahlreich, aber unbewaffnet waren. Auf diese Weise entblößte sie die Front gegen die weißen Guerillas,
     die in Hülle und Fülle mit Maschinenpistolen, Granaten und Bazookas ausgerüstet waren. Sehr bald erkannten die weißen Guerillas
     ihre Chance, griffen überall die gelichteten Truppen an und besetzten nach wenigen Stunden heftiger Kämpfe den Garten des
     Weißen Hauses.
    Als sie dort die Lage kontrollierten, ließ ihr Kampfeseifer nach. Sie wagten nicht, in die Residenz einzudringen, mit der
     so viele ruhmvolle Erinnerungen verbunden waren, und sie verharrten in Schweigen, sichtlicher Verlegenheit und einer fast
     religiösen Ehrfucht. Da sie schließlich mit ihrem Sieg nichts anzufangen wußten und keineswegs die Absicht hatten, die Regierung
     der Vereinigten Staaten mit Gewalt zu stürzen, und noch weniger, die Präsidentin zu behelligen, ersuchten sie Bedford, eine
     Abordnung aus ihren Reihen zu empfangen.
    Bedford saß unbewegt bei geschlossenen Fenstern und Türen im ovalen Salon. Sie verlangte, daß man ihr im voraus eine Liste
     der Abgesandten übermittelte. In erstaunlichem Respekt vor dem Protokoll kamen die Aufständischen dieser Forderung nach. Als
     Bedford die Liste ausgehändigt wurde, die bereits durch viele Hände gegangen war, sah sie sie aufmerksam durch. Die Liste
     enthielt fünf Namen. Die ersten vier waren weiblich. Der fünfte war der eines Mannes. Bedford fragte, ob es sich um einen
     A handelte, und nachdem sie die verneinende Antwort erhalten hatte, wurde sie bleich vor Wut und lehnte es kurzerhand ab,
     die Abordnung zu empfangen.
    Was dann geschah, war nur zu gut vorauszusehen. Das Weiße Haus wurde gestürmt, die wenigen Milizionärinnen, die es verteidigten,
     wurden getötet, die Türen wurden eingerannt, Bedford flüchtete von Zimmer zu Zimmer. In dem einsetzenden Durcheinander stürzte
     die Präsidentin aus dem Fenster, ohne daß man genau erfuhr, ob es Mord oder Selbstmord oder ein Unfall war.
    Bedford war ein Jahr zuvor zur Vizepräsidentin gewählt |337| worden und nach Shermans Tod auf den Präsidentenstuhl gelangt. In Übereinstimmung mit der Verfassung trat nach Bedfords Tod
     die Senatspräsidentin ihre Nachfolge an.
    Diese Frau, die jetzt die Führung eines so mächtigen Staates übernahm, war der breiten Öffentlichkeit fast unbekannt. Sie
     hieß Elizabeth Hope. Sie war geschieden, hatte wieder geheiratet und ihren Mann im ersten Monat der Epidemie verloren; sie
     war achtundvierzig Jahre alt, zog vier Kinder aus beiden Ehen auf und hatte, bevor sie Senatorin geworden war, erfolgreich
     einen Betrieb für Damenkonfektion geleitet.
    An dem Tag, als die neue Präsidentin der Vereinigten Staaten ihren Eid leistete, bestieg die kleine Gruppe der Emigranten
     aus Ottawa die Maschine nach Washington. Burage, Barrow und Jackie waren außer

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