Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die geschützten Männer

Die geschützten Männer

Titel: Die geschützten Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
Vom Netzwerk:
danach gefragt.«
    »Was auch mit meinem Kind passieren wird«, sagt Burage. »Ich werde ihm meinen Namen geben und es erziehen.«
    »Ohne meine Hilfe?«
    »Mit deiner freiwilligen Hilfe, wenn du es wünschst und solange wir zusammen leben.«
    »Und wenn du mich verläßt?«
    Eine unerwartete Reaktion: Burage bedeckt meinen Nacken mit vielen kleinen zärtlichen Küssen.
    »Oh, wie lieb du bist, Ralph! Du denkst nicht einmal daran, daß du es sein könntest, der mich verläßt.«
    Ich schließe sie in meine Arme. Ich bin von ihr gerührt, dann von mir selbst. Dann weiß ich nicht mehr so recht, über wen
     von uns beiden. Gut. Zerbrechen wir uns nicht den Kopf darüber. Lassen wir diesen Engel vorüberziehen. Hoffen wir, daß sich
     seine himmelblauen Flügel recht oft zwischen ihr und mir zeigen. Ich sehe Burage voller Dankbarkeit an. Da ist wenigstens
     jemand, der meine guten Eigenschaften zu schätzen weiß. Nicht wie Anita. Bei Anita braucht man nur ein bißchen an ihrem Charme
     zu kratzen, und schon kommt die Härte zum Vorschein. Das sieht man jemand schon an der Nasenspitze an. Anitas feine, leicht
     gebogene, ein wenig spitze und wie sie selbst sagt |340| »fein ziselierte« Nase schien mir immer mit einer gewissen Frostigkeit zusammenzuhängen. Wieviel beruhigender dagegen Burages
     runde Nase oder Colette Lagrafeuilles Stupsnase.
    »Nun gut, wenn wir uns trennen, ist eins sicher«, fährt Burage fort. »Ich werde allein und ohne Hilfe die Erziehung des Kindes
     übernehmen.«
    »Also keine Alimente?«
    »Absolut nicht. Eine Frau erniedrigt sich, wenn sie darauf eingeht, von einem Mann finanziell abhängig zu sein. Sie muß sich
     durch ihre Arbeit selbst zu helfen wissen.«
    »Und das Umgangsrecht?«
    »… ist kein Recht«, sagt sie lebhaft, »und ist nicht an die Zahlung eines Unterhaltsbeitrages gebunden. Das ist eine Abmachung
     zwischen uns.«
    Schweigen. Ich sage:
    »Mir scheint aber doch, als würde ich derjenige von uns beiden sein, der für unmündig und unzurechnungsfähig erklärt wird.
     Ich hätte mit dir ein Kind, aber keinerlei Verpflichtungen ihm gegenüber.«
    »Und auch keine Rechte.«
    »Ich wäre ihm also fremd?«
    »Keineswegs. Du kümmerst dich um das Kind, solange du es wünschst. Du büßt lediglich eine zweifache Vormundschaft ein: die
     über
deine
Frau und die über
dein
Kind.«
    »Willst du damit sagen«, frage ich aufgebracht, »daß die Macht völlig in die Hände der Mutter übergeht?«
    »Ja«.
    Kein lakonisches, aber ein entschlossenes Ja.
    »Dann haben wir also ein Matriarchat?«
    »Ja.«
    Nachdem ich die beiden Ja verdaut habe, fahre ich fort: »Aber wird nicht von vornherein zwischen Mann und Frau wieder eine
     gewisse Ungleichheit, bloß umgekehrt, geschaffen?«
    »Ja«, sagt Burage aufrichtig, »das stimmt. Eine gewisse Ungerechtigkeit ist vorhanden. Und wir haben oft darüber diskutiert.
     Aber was tun? Wir glauben alle, daß dieser Preis für die Befreiung der Frau gezahlt werden muß.«
    »Wie bequem«, sagte ich, »und wie einfach, ein Unrecht hinzunehmen, wenn man der Nutznießer ist …«
    Burage antwortet nicht. Ich kann nicht sagen, ob sie beschlossen |341| hat, mir »das letzte Wort« zu lassen, oder ob sie es überhaupt vorzieht, sich gegenüber meinen Einwänden taub zu stellen.
     Wenn es sich tatsächlich um Taubheit handelt, muß ich darin leider eine durch und durch männliche Taktik erkennen: eine höfliche
     Ablehnung oder, schlimmer noch, die amüsierte Duldsamkeit des Mannes gegenüber den jahrhundertealten Forderungen des zweiten
     Geschlechts.
    Das ist aber noch nicht alles. In Ottawa erlebe ich in meinem Privatleben eine Überraschung nach der anderen, während Bedford
     noch nicht unter Anklage steht und das
Wir
in den Vereinigten Staaten noch nicht an der Macht ist.
    Am achten Tag bin ich bis spät in den Abend hinein beschäftigt. Ich rufe im Hotel an, damit das Dreigespann nicht mit dem
     Abendbrot auf mich wartet, und als ich endlich in mein Zimmer komme, ist das Licht aus und die Tür unverschlossen. Ich will
     Burage nicht wecken. Ich mache kein Licht und gehe ins Bad, um mich auszuziehen und mich zu duschen. Danach gehe ich, ebenfalls
     ohne Licht zu machen, an mein Bett und suche meinen Pyjama. Ohne Erfolg. Die Zimmerfrauen dieses Hotels entfalten einen bemerkenswerten
     Einfallsreichtum, Gegenstände dieser Art zu verlegen.
    Ich drücke auf den Knopf meiner kleinen Nachttischlampe, und was ich da zu Gesicht bekomme, läßt mich meine

Weitere Kostenlose Bücher