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Die geschützten Männer

Die geschützten Männer

Titel: Die geschützten Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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sich vor Freude. Ihr gefährlicher und mutiger
     Kampf endete mit einem Triumph. Ein neues Leben begann für sie und die Vereinigten Staaten: Elizabeth Hope, erklärter, aber
     nach außen zurückhaltender Chef der Anti-Bedford-Opposition im Senat, war in der Illegalität eine der nationalen Führerinnen
     des
Wir
gewesen.
     
    Obwohl mein Privatleben im Vergleich zu diesen großen Ereignissen kaum von Bedeutung ist, möchte ich trotzdem ein paar Worte
     darüber verlieren, denn mir ging es wie Millionen anderer Überlebender in den USA: die Machtübernahme des
Wir
brachte mein tägliches Leben völlig durcheinander, wenn auch in gänzlich anderer Form, als Bedford es getan hatte.
    Einen Vorgeschmack dessen, was mich erwartete, bekam ich während der ersten Nacht nach meiner Flucht in Ottawa zu spüren.
     Um zwei Uhr morgens stellte man uns in einem außerhalb der Stadt gelegenen Hotel, dessen Park mit Wachtposten gespickt war,
     zwei durch ein Bad voneinander getrennte Zweibettzimmer zur Verfügung. Als wohlerzogener Amerikaner machte ich den Vorschlag,
     eines der Zimmer mit Dave zu teilen und das andere Jackie und Burage zu überlassen. Die beiden Frauen lächelten und sahen
     einander mit wissendem und überlegenem Gesichtsausdruck an, so als ob sie aus Höflichkeit über das Heuchlerische meines Vorschlags
     hinwegsehen wollten. Dann sagte Jackie kategorisch: »Kommt nicht in Frage. Ich habe Dave noch nicht alles erzählt. Ich teile
     mit ihm das eine Zimmer und Sie mit Burage das andere.«
    |338| Was auch geschah. Gott allein weiß, wie ich auf diesen Augenblick gewartet hatte. Und jetzt war er da, und ich fühlte mich
     zu abgespannt, um die Freude daran zu genießen. Sobald wir allein waren, warf mir Burage einen Blick zu, einen einzigen, und
     traf mit bewunderungswürdiger Kaltblütigkeit eine realistische Entscheidung: sie nahm den Hörer ab und bat den Nachtportier,
     uns um sechs Uhr morgens zu wecken.
    »Bis dahin will ich das arme Tier schlafen lassen«, sagte sie, während sie auflegte und mich zärtlich ansah.
    Eine Woche verging. Eine Woche, in der mir die Tage lang und die Nächte kurz erschienen. Heute muß ich lächeln, wenn ich an
     meine damalige geistige Verfassung zurückdenke. Ich hatte etliche Niederlagen und Widrigkeiten erfahren, und jetzt hatte ich
     Burage gefunden, die alles zu bieten hatte, was sich ein Mann »in jeglicher Hinsicht« nur wünschen konnte. Außerdem mochte
     David sie, Burage fand ihm gegenüber den richtigen Ton, sie war mütterlich und umsichtig. Kurzum, Burage, Dave und ich segelten
     im gleichen Boot bei gutem Wind dem fernen Horizont entgegen. Glück zu dritt, eine »Minifamilie«, eine kleine Insel des Friedens
     im allgemeinen Chaos.
    Am dritten Abend, als Burages Kopf
post amorem
an meiner Schulter ruht, sage ich zu ihr: »Ich nehme an, daß Anita keine Schwierigkeiten machen und in die Scheidung einwilligen
     wird?«
    »Willst du sie darum bitten?«
    »So bald wie möglich. Wundert dich das?«
    »Es wundert mich nicht.« Nach einer Pause fährt sie fort: »Aber ich sehe keinen Sinn darin.«
    Ich rücke von ihr ab, stütze mich auf den Ellbogen, sehe Burage an und frage tonlos: »Liebst du mich nicht genug, um mich
     zu heiraten?«
    »Ich liebe dich. Punktum.«
    »Aber nicht genug, um mich zu heiraten?«
    »Das hat nichts damit zu tun.«
    Schweigen. Ich fahre fort:
    »Mir scheint, wenn man jemand liebt, hat man den Wunsch, mit ihm zusammen zu leben.«
    »Aber damit rechne ich doch fest«, sagt Burage und sieht mich mutwillig an.
    »Ohne mich zu heiraten?«
    |339| »Ja.«
    »Warum?«
    »Sieh mal, Ralph, die traditionelle monogame Ehe ist eine völlig überholte Institution.«
    Ob es sich so verhält oder nicht, ich weiß es nicht. Aber ich mag solche Diskussionen nicht. Unsicherer Boden. Sumpfig. Schlammiges
     Gelände, in dem man sich stundenlang verlieren kann. Ich verlasse diesen dialektischen Morast so schnell wie möglich und halte
     mich an das Konkrete.
    »Was passiert, wenn wir ein Kind bekommen?«
    »Was wird mit Jackies Kind passieren?«
    Ich sehe sie sprachlos an. Wie konnte ich es nur vergessen? Sie erzählen sich alles! Nur vor mir wird alles verborgen! Wie
     vor einem Kind … Wie das Kind, das ich Jackie gemacht habe oder, besser gesagt, das sie sich von mir hat machen lassen. Denn
     immerhin, man sollte meinen Anteil an Initiative im Verlauf jener Gewitternacht nicht übertreiben …
    »Ich weiß nicht«, antworte ich verlegen. Ich habe sie nicht

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