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Die geschützten Männer

Die geschützten Männer

Titel: Die geschützten Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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sarkastisch. »Ganz offensichtlich
     genügen zwei schwangere Frauen nicht. Genausowenig vermochten Lea und Rahel in ihrem Wettstreit der Fruchtbarkeit Jakob mit
     einer ausreichend großen Familie zu umgeben. Sie brauchten Verstärkung.«
    »Wir werden sie bekommen«, sagte Burage mit zusammengepreßten Lippen.
    Ich schweige. Ich lächle nicht. Ich zeige keinerlei Gefühlsäußerung: ich bin von Kopf bis Fuß neutral. Aber was ist in diesem
     Augenblick in mir vor sich gegangen, das sich durch eine winzige Spur verriet, die aber ausreichte, aus dem Funken eine Flamme
     werden zu lassen?
    Der Blitz schlägt ein.
    »Du brauchst gar nicht so ein zufriedenes Gesicht aufzusetzen«, |346| sagt Burage mit einer rauhen Stimme, die Berge von Wolken und Gewitter vor sich hertreibt. »Und du brauchst dir auch nicht
     soviel Mühe zu geben, deine Zufriedenheit zu verbergen. Du kannst niemanden täuschen, ich kenne dich. Du hast weder Moral
     noch Schamgefühl. Du bist ein Gorilla, weiter nichts. Nein, nein, kein Gorilla, der ist zu groß! Ein Schimpanse! Außerdem
     überall Haare, wie er. Ein Tier bist du, sonst nichts! Ein grenzenlos geiles Tier. Genau der Richtige für Bess! Ein Ricardo
     vor der Kastration! Du träumst davon, daß alle Frauen der Welt nur eine einzige … hätten, damit du mit allen gleichzeitig
     schlafen könntest!«
    Das geht mir nun doch zu weit. Ich verlasse den Raum, knalle die Tür zu. Was Burage sagt, ist weder richtig noch falsch. Es
     steht außer Diskussion. Wie jedes menschliche Wesen – Mann oder Frau – könnte ich ein Vielfaches an Partnern haben. Aber in
     diesem speziellen Falle, gestern abend, wünschte ich mir keine andere Frau an Burages Stelle. Sie weiß das übrigens genau.
     Aber nachdem Teilung und Opfer vollzogen sind – an wen soll sie sich halten, wenn nicht an mich?
     
    Wie ich es bereits in Blueville nach Burages Erläuterungen über die Strategie des
Wir
erwartet hatte, ernannte Präsidentin Hope eine ausschließlich aus Frauen bestehende Regierung. Sie trug indes Sorge, ein paar
     Männer auf relativ unwichtige Posten zu setzen, auf denen sie aber für niemand zu übersehen waren. Zum Beispiel entsandte
     sie einen Mann als Vertreter der USA zur UNO und schickte an Stelle Anitas einen männlichen Botschafter nach Paris. Als Sprecher
     des Weißen Hauses wählte sie einen charmanten jungen Mann, der Schauspieler gewesen war und den im voraus geschriebenen Text
     auswendig lernte; auf alle an ihn gerichteten Fragen antwortete er unweigerlich: kein Kommentar.
    Obwohl sie ihren Posten in Paris verlor, fiel meine Ehefrau (juristisch war sie es immer noch) nicht in Ungnade. Um die Wahrheit
     zu sagen: das Gegenteil hätte mich überrascht. Anita gehört zu jenen Tiefseefischen, die mit dem Strom zu schwimmen vermögen
     und die bei fallendem Wasser nicht mit den Gestrandeten der Geschichte abgetrieben werden. Sie hatte in den letzten Monaten
     der Bedford-Administration nutzbringende illegale Verbindungen zum
Wir
angeknüpft, und als Präsidentin |347| Hope sie aus Paris abberief, war es kein »Abstieg«: Anita wurde zur außenpolitischen Beraterin des Weißen Hauses ernannt.
     Ein vielleicht einzigartiger Fall in der Geschichte der Vereinigten Staaten: mit ihrer Tüchtigkeit diente sie drei aufeinanderfolgenden
     Präsidenten.
    Während ich dies niederschreibe, weiß ich noch nicht, ob es ihr gelingen wird, einem vierten zu dienen, aber ich halte es
     für wahrscheinlich.
    Ich sah Anita also in Washington ziemlich häufig, denn ich hatte wieder mein Haus in Wesley Heights bezogen. Ich muß sagen
     – darauf werde ich später noch zurückkommen –, daß Anita es fertigbrachte, zwischen sich und mir Beziehungen herzustellen,
     die mich in Erstaunen setzten.
    Anita war eine von vier, genauer, von drei Beraterinnen des Weißen Hauses, der vierte war ein Mann. Dieser spielte letztendlich
     die Rolle, die ein farbiger hoher Offizier in der US-Armee spielt: er ist ein Aushängeschild. Er hat zu beweisen, daß die
     US-Armee nicht rassistisch ist und daß selbst ein Farbiger General werden kann. Anita, die zu Beginn wenig Achtung gegenüber
     dem vierten Berater empfand – sie korrigierte sich, als seine Rolle zu wachsen begann –, gab ihm erbarmungslos den Spitznamen
     »Mann vom Dienst«, was weder für Archibald C. Montague noch für sein Geschlecht schmeichelhaft war.
    Zuerst wußte niemand, welche Rolle Archie unter den Beraterinnen spielte, sagte Anita. Er war wohl stets

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