Die geschützten Männer
Suche vergessen.
Aus dem Doppelbett tauchen blonde Haare zwischen den Kissen auf. Sofort erkenne ich die Farbe und den Schnitt.
»Jackie!« rufe ich.
Sie hebt den Kopf, blinzelt, und ihre erste Reaktion ist – darauf hätte ich wetten können – ein Lachen. Dieses Mädchen hat
eine glückliche Natur.
»Jackie! Was machen Sie denn hier!«
Sie lacht wieder.
»Ach, Ralph!« sagt sie. »Was für ein Gesicht Sie machen! Wie komisch Sie aussehen! Ein nackter Mann sollte nicht obendrein
erstaunt dreinblicken. Diese Kombination ist unwiderstehlich!«
»Jackie, wo ist Burage?«
»Na, nebenan. Wo sonst?«
»Mit Dave?«
»Nein. Dave hat jetzt ein eigenes Zimmer. Es hat ihm nicht gepaßt, sein Zimmer mit einer Frau teilen zu müssen.«
|342| Ich bin erleichtert. Ich bin vielleicht altmodisch, aber ich möchte nicht, daß Dave sich zu viele Fragen stellt.
»Aber das erklärt immer noch nicht, weshalb Sie hier sind.«
Sie lacht aus voller Kehle.
»Doktor, was für eine Frage! Sie werden mit Ihrem Studium noch einmal von vorn anfangen müssen! Schließlich ist es ja nicht
die erste Nacht, die wir zusammen verbringen.«
»Und Burage?« frage ich. »Ist sie einverstanden …«
»Aber sicher!« ruft Jackie aus. »Ralph! In welchem Jahrhundert leben Sie denn? Ich wette, Sie bringen die Situation mit Ehebruch
in Zusammenhang! Und warum nicht gar mit Sünde, in Ihrem Fall? Ralph, Sie sollten sich schämen! Sie haben noch die alten monogamen
Flausen im Kopf …«
Gefoppt, verspottet, geschulmeistert und, warum soll ich es nicht aussprechen, enttäuscht, verzichte ich auf meinen Pyjama
– was soll es noch? – und verkrieche mich in meinem Bett, in das mir Jackie bald mit einem Satz folgt. Ja, enttäuscht. Oh,
ich kenne die Verführungen der Abwechslung genau, weil ich oft davon geträumt habe. Aber trotzdem, nicht jetzt! Während ich
mich dem Rausch hingebe, Burage zu entdecken. Gewiß, Jackie ist ein schönes, gesundes Mädchen, aber sie ist völlig ohne Geheimnis.
Sie marschiert zum Vergnügen wie der gute Soldat zum Geschütz. Und außerdem stört sie meine Flitterwochen mit Burage und all
die erhofften Genüsse.
Am nächsten Morgen ist die frische, aufgelebte Jackie so nett, Dave schon recht früh zu einem Stadtbummel mitzunehmen, und
während ich mich in unserem gemeinsamen Bad rasiere, erscheint Burage in einem schwarzgoldenen Morgenmantel, auf dem ihr mahagonifarbenes
Haar wunderbar zur Wirkung kommt. Gibt es diese hübschen Sachen in Ottawa? Was für eine Eleganz für eine militante
Lib
! Aber warum auch nicht? Ich sehe Burage verliebt an, sie stellt sich neben mich und bürstet mit ihren hellen Armen energisch,
systematisch und eifrig ihre füllige Mähne. Ich betrachte sie in dem Spiegel, der die Wand des Doppelbades bedeckt. Ein hübscher
Anblick, den ich als archaisch bezeichnen würde, wenn ich nicht befürchten müßte, sexistischer Nostalgie beschuldigt zu werden.
Was für ein Unterschied zu Jackies Verfahren, die pfeifend ihre kurzen Haare schnell überbürstet.
»Guten Morgen, Ralph«, sagte Burage aufgeräumt. »Hast du |343| gut geschlafen?« Ihr Ton ist sachlich, ohne die geringste Anzüglichkeit.
»Ich hätte besser geschlafen, wenn man mir nicht die Gefährtin ausgetauscht hätte, selbstverständlich ohne mein Wissen.«
Schwaches Lächeln, ohne Einbuße an Ausgeglichenheit.
»Entschuldige, Ralph, ich hatte gehofft, dir unsere Entscheidung persönlich mitteilen zu können. Aber du bist so spät zurückgekommen,
und ich war todmüde. Ich hatte ein Beruhigungsmittel genommen.«
»Das ist es eben«, sage ich bitter. »Man teilt mir eine Entscheidung mit. Man trifft sie nicht mit mir.«
Jetzt wird sie lächelnd zum Angriff übergehen.
»Ralph, bist du nicht ein kleiner Heuchler? Schließlich gefällt dir Jackie. Du hast schon vor mir mit ihr geschlafen. In dieser
berühmten kleinen Hütte.«
»Jackie hatte die Initiative ergriffen.«
»Das ist kindisch, Ralph! Es ist unwichtig, wer was gemacht hat! Das Resultat zählt.«
Schweigen.
»Aber Burage, ausgerechnet Jackie! Und mit deiner Zustimmung! Ich glaubte, du wärest eifersüchtig.«
»Ich, eifersüchtig?« fragt Burage.
Aber ihre Augen lachen, während sie das sagt. Die beiden Frauen machen sich über mich lustig, das steht fest. Neben ihnen
komme ich mir unaussprechlich komisch, kindisch, rückständig und altmodisch vor. Ihre Geringschätzung ist lediglich durch
Liebe etwas gedämpft. Denn man
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