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Die geschützten Männer

Die geschützten Männer

Titel: Die geschützten Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Spucknapf meines Mannes bin. Ich bin sicher, daß er alles an
     mir liebt, Votze inbegriffen.« (Gelächter bei den PMs. »Schätzchen!« rief Stien mit unterdrückter Stimme und hob die Arme
     zum Himmel.)
    »Das war’s, was ich zu sagen hatte«, fügte Mutsch errötend hinzu und setzte sich unvermittelt wieder hin. (Gemurmel in den
     ersten Reihen, lebhafter Applaus in der Gruppe der PMs.)
    Ruth Jettison verhielt sich während der Rede von Mutsch |58| alles andere als christlich. Sie reckte sich zu voller Größe auf, ballte die Fäuste und schleuderte dabei Blicke auf die PMs,
     die uns zu anderen Zeiten zum Scheiterhaufen verurteilt hätten. Als Mutsch sich setzte, war die Missionarin einige Sekunden
     wie erstarrt, und als sie schließlich ihre Sprache wiedergefunden hatte, stieß sie die Worte nur mühsam zwischen den Zähnen
     hervor.
    »Diese Äußerungen zeichnen sich durch Ignoranz, Arroganz und völlige Nutzlosigkeit aus«, sagte sie mit zischender Stimme.
     »Die Person, die eben gesprochen hat, gehört zu den zufriedenen Sklavinnen, wie ich sie nennen möchte. Sie soll sich nicht
     einbilden, daß ich ihr antworte. Ich wende mich nur an die freien Frauen. Unser Gespräch ist beendet.« (Unter den PMs Proteste
     und Rufe: »Antworten Sie! Antworten Sie!«)
     
    Am nächsten Tag hagelte es Sanktionen – soweit sind wir schon! Mutsch wurde in einem eisigen Brief von Hilda Helsingforth
     wegen ihrer »Unhöflichkeit« abgekanzelt. Stien bekam in seiner Eigenschaft als Ehemann, der für die Handlungen seiner Frau
     verantwortlich ist, zweihundert Dollar von seinem Gehalt abgezogen. Die PMs, die sich mit ihrem ungebührlichen Verhalten zu
     Komplizen von Mutsch gemacht hatten, durften sich eine Woche lang nicht mehr wie gewohnt nach dem Abendessen im Schloß versammeln.
     Mr. Barrow ließ sogar durchblicken, daß die kleinen Zusammenkünfte, an denen uns soviel lag, im Wiederholungsfall für immer
     untersagt werden könnten.
    Wir alle waren maßlos empört. Wenn wir Blueville hätten verlassen können, ohne uns dadurch zum Tode zu verurteilen, hätten
     wir es unverzüglich getan und auf die Arbeiten verzichtet, die für jeden von uns einen Lebensinhalt darstellten. Angesichts
     der in Blueville so offen verhöhnten Freiheit des Denkens und der Rede fragte man sich, ob wir uns noch in den Vereinigten
     Staaten befanden oder ob wir nicht ahnungslos von einem bösen Geschick in eine jener lateinamerikanischen Diktaturen verschlagen
     worden waren, die von der amerikanischen Demokratie zu jeder Zeit Unterstützung gefunden hatten.
    Als acht Tage später die kleinen Familientreffen wieder aufgenommen werden, beschließe ich, ihnen fernzubleiben. Nicht, daß
     sie mich langweilten, doch Dave beunruhigt mich. Wir |59| beide wohnen in einer kleinen Baracke, die aus zwei Zimmern besteht, dazwischen liegen Küche und Bad. Nachts lasse ich die
     Türen offen, um auf Dave achtzugeben. Denn seit kurzem wacht er jede Nacht im ersten Schlaf auf und schreit angstvoll nach
     mir. Ich stürze zu ihm hin, und in meine Arme gekuschelt, erzählt er mir mit einer von Schluchzen unterbrochenen Stimme seinen
     Alptraum, der bis auf wenige Einzelheiten immer derselbe ist.
    Dave geht allein mitten durch eine Menschenmenge. Ohne Grund wird ihm beklommen zumute. Die Menschen, die auf dem Bürgersteig
     mit ihm in gleicher Richtung gehen, sind sehr bleich. Plötzlich stolpert einer von ihnen und fällt besinnungslos zu Boden.
     Dann ein zweiter, dann ein dritter. Bald fallen sie zu Dutzenden, haufenweise. Niemand wagt es, ihnen zu Hilfe zu eilen oder
     sich ihnen auch nur zu nähern. Die Menge begnügt sich, einen Bogen zu machen und den Körpern auszuweichen. Obwohl Dave weiß,
     daß ihm keine Gefahr droht, ist ihm sehr bange, er hat Angst, er fängt an zu weinen, niemand achtet auf ihm. Er geht zu einer
     Frau mit roten Haaren. Er ergreift ihre Hand, doch die Frau entzieht sie ihm und stößt ihn zurück. Dave weint. Plötzlich sieht
     er mich in der Menge gehen, ich bin ungefähr zwanzig Meter vor ihm, er spürt eine ungeheure Erleichterung, er ruft fröhlich
     nach mir, ich drehe mich um, lächle, er läuft auf mich zu, ich selbst gehe ihm mit schnellen Schritten entgegen. Aber zwei
     Meter vor ihm breche ich zusammen. Er stürzt an meine Seite und kniet sich hin. Ich bin bleich, habe die Augen geschlossen.
     Er schreit, ruft, aber die Menschen um uns herum gehen weiter und beachten uns nicht.
    Bei Daves erstem Schrei springe ich

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