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Die geschützten Männer

Die geschützten Männer

Titel: Die geschützten Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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steigert sich und wird fast zur Provokation. Mit funkelnden Augen, schwer atmend und ihre mahagonifarbene
     Mähne schüttelnd (die mich so an Anita erinnert), geht Burage auf mich los und überschüttet mich mit Vorwürfen. Ich bin ein
     verdammter Heuchler! Wenn ich glaube, daß sie auf meine Grimassen hereinfällt, irre ich mich! Sie durchschaut mich! Ich habe
     mich im Grunde nicht geändert: genauso arrogant wie immer! Ein unverbesserlicher Phallokrat! Ich habe nur meine Taktik geändert:
     ich spiele den Harmlosen, um besser zu verführen.
    Wen verführen? (Lachen.) Sie? Crawford? Die arme Jones? Das ist alles so blöd. Mach deine Meldung, Büttel, ich pfeife drauf.
     Auf Wiedersehen, Igel. Mir reicht es. Ich knalle die Tür hinter mir zu.
    Meine Wut ist natürlich gekünstelt, aber in unseren Beziehungen ist alles gekünstelt. Das ist das Paradoxe: auf Grund der
     herrschenden Kontrasexualität hat sich alles zwischen uns sexualisiert. Es gibt nichts Unschuldiges mehr, keine Haltung, keine
     einzige Geste, keinen Blick. Sogar der Blick, der den anderen meidet, wird verdächtigt. Und am Ende drehen sich die Streitereien
     zwischen mir und Burage nur noch um Sex, jedesmal fängt sie damit an und beschimpft meinen Phallus. Als ob es nichts anderes
     mehr gäbe! Warum reduziert sie mich auf diese einzige Funktion? Ich bin schließlich nicht nur der Träger eines Fortpflanzungsmechanismus,
     ich bin auch ein Neurologe, ein Wissenschaftler, ein liebevoller Vater – und ein enttäuschter Ehemann.
    Am Sonnabend stellt sich die halbe Prophezeiung von Mrs. Pierce als falsch heraus. Mittags, als ich schon in dem Glauben bin,
     Anita in wenigen Stunden bei mir zu haben, ruft sie an. Mir ist die Kehle sofort wie zugeschnürt. Sie ist verzweifelt, sie
     kann heute abend
absolut
nicht kommen, obwohl sie es geschrieben hatte. Dagegen ist es
absolut
sicher, daß sie Mittwoch kommen wird. Schweigen. Mittwoch? frage ich ungläubig. Mitten in der Woche? Ja, Mittwoch. Es gelingt
     mir nicht, ihr eine Erklärung für diesen ungewöhnlichen Zeitpunkt zu entlocken; ich bin zu Tode betrübt und lege auf. Am selben |139| Abend berichte ich Joan Pierce von diesem Gespräch, um mir Trost zu holen, jedoch bleibt jeglicher Kommentar aus. Mittwoch?
     fragt Joan Pierce. Es folgen zwei Blicke: der erste grell wie ein Blitz, mitleidvoll und ernst der zweite.
    Das Wochenende ist scheußlich. Während unseres Ausflugs beachte ich Pussy kaum, und Stien sekundiere ich überhaupt nicht:
     seinen durchlöcherten Tirolerhut, unter dem zwei weiße Haarsträhnen hervorkommen, bis auf die Augenbrauen herabgezogen, bringt
     er die beiden Milizionärinnen dazu, sich mit ihm zu unterhalten. Ich halte mich düster und schweigsam auf Schuschka abseits.
     Ich werde nicht einmal wach, als Jackie – ja, ich sage Jackie – mich völlig unerwartet ansieht und ein Lächeln andeutet. Ich
     habe genug von diesem unbegreiflichen Sex.
    Bei meiner Rückkehr hat Dave eine zweite – schwächere – Krise der Feindseligkeit. Er mag meine Sonntagsausflüge zu Pferd nicht.
     Sicher fürchtet er, daß ich der einen Milizionärin mit meinem großen Säbel den Schädel spalte, die andere über meinen Sattel
     werfe, im Galopp ins nahe Kanada reite und meinen Sohn in Blueville zurücklasse. Diesmal ist mir aber alles so zuwider, sogar
     Dave, daß ich auf sein Schmollen mit einer fast ungeheuchelten Gleichgültigkeit reagiere. Das Resultat ist verblüffend. Er
     hört beinahe unverzüglich damit auf. Besser noch: in der darauffolgenden Nacht werde ich nicht durch Schreien geweckt und
     nicht um zwei Uhr morgens durch einen Alptraum mit Schuldgefühl. Eine gute Lehre. Ich werde sie beherzigen.
    Zum Glück habe ich am Montag keine Zeit, zuviel an mich zu denken. Die Morgenpost bringt Neuigkeiten, und in Blueville haben
     Neuigkeiten, wenn sie von draußen kommen, auf uns eine starke Wirkung.
    Da ist folgender Brief:
     
    Lieber Dr. Martinelli,
    angesichts der Opfer, die die Epidemie unter der männlichen Bevölkerung der Vereinigten Staaten forderte, und angesichts der
     Notwendigkeit, vor die sich das Land gestellt sieht, die Erneuerung seiner Bevölkerung zu gewährleisten, hat die am 2. Mai
     d. J. in Washington gegründete
Bundesspermabank
uns Ihren Namen und Ihre Adresse mitgeteilt und Sie als eine bedeutende Persönlichkeit empfohlen, die in einer
Schutzzone
im |140| Staate Vermont lebt und in der Lage wäre, uns Sperma zu liefern.
    Wenn Sie einverstanden sind, wird

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