Die geschützten Männer
zum Angriff über.
»Doktor, der Blick, den Sie mir eben zugeworfen haben, enthielt nicht nur ein Minimum an Sexualität. Im übrigen weiß ich |134| nicht, was bei einer sexistischen Aggression ein Minimum bedeutet.«
»Wäre es nicht besser, diese Diskussion abzubrechen?« fragt Crawford. »Sie wird sehr persönlich.«
Crawford muß sich ein bißchen bei Burage revanchieren. Doch im Grunde genommen hat sie recht. Ich bemühe mich, Burage zu überzeugen,
daß meine Bewunderung für sie frei von Begehren war, und sie legt es darauf an, mich vom Gegenteil zu überzeugen. Offensichtlich
liegt da ein Mißverständnis vor …
Burage spürt es ihrerseits auch und schweigt. Aber sie schweigt, möchte ich sagen, mit Nachdruck, mit Würde, ohne das Gesagte
zurückzunehmen, ohne Zugeständnisse zu machen.
Eifrig nehme ich wieder das Wort und konstruiere eine falsche Symmetrie, um das Gesicht zu wahren.
»Jedenfalls danke ich Ihnen, die Diskussion war sehr nützlich. Ich habe Ihnen gesagt, was für meine Begriffe nicht in Ordnung
war. Sie haben mir gesagt, was Ihnen nicht gefiel. Auf beiden Seiten werden wir dem Rechnung tragen.«
»Bleibt der Fall Dr. Grabel«, sagt Burage scharf.
Ich glaube, da kann ich auf sie zählen: sie vergißt nichts.
»Was Dr. Grabel betrifft, liegt ein bedauerlicher Irrtum meinerseits vor«, sage ich ruhig. »Ich hielt ihn für den Verfasser
des Berichts, den Burage geschrieben hat. Dieses Mißverständnis ist geklärt, ich habe Dr. Grabel nichts mehr vorzuwerfen.«
Und warum, um Gottes willen, sollte ich mich Burage gegenüber anders verhalten! Jedenfalls finden das alle so selbstverständlich
wie ich auch …
Burage nimmt ihre völlige Straffreiheit mit majestätischer Gelassenheit entgegen. Aber sie läßt trotzdem nicht locker, sie
verfolgt mich, will mich in die Enge treiben.
»Welche Pläne haben Sie mit Dr. Grabel?«
»Ich will ihm eine Aufgabe anvertrauen, die dem Verantwortungsbereich von Dr. Pierce entspricht.«
Sie senkt den Kopf, und wenn ich recht verstehe, habe ich dafür ihre Zustimmung. Crawford schießt einen letzten Pfeil ab.
»Doktor, darf ich Ihnen noch eine Frage stellen?« sagt sie |135| mit hintergründigem Lächeln. »Warum sprechen Sie zu uns erst heute über Ihren Bericht, obwohl er schon einen Monat alt ist?«
Ich lächle ebenfalls, ganz kurz und ohne aufdringlichen Sexismus, hoffe ich.
»Aus folgenden Gründen«, sage ich. »Vor einiger Zeit erhielt ich von Hilda Helsingforth einen kurzen Brief, in dem sie mir
mitteilte, daß nach ihrer Meinung mein schlechtes Verhältnis zu den Frauen und den A.s aus dem Labor schuld ist an den bislang
so unbefriedigenden Ergebnissen unserer Arbeit. Ich habe aus diesem Brief meine Lehren gezogen und meine Kündigung angeboten.«
Ich sehe die Frauen an, insbesondere Burage. Offensichtlich wußte sie nichts davon. 1 Eine Vertrauensperson, durchaus möglich, der man aber nicht alles anvertraut.
»Ich habe meine Kündigung sogar zweimal angeboten«, sage ich. »Und Hilda Helsingforth hat sie zweimal abgelehnt. Daraus zog
ich den Schluß, daß ich nach Hilda Helsingforths Meinung meine Beziehungen zu den Frauen und zu den A.s verbessern kann. Und
eben das habe ich heute zu tun versucht.« Nach einer Pause füge ich hinzu: »Die Zukunft wird zeigen, ob es mir gelungen ist.«
Diese Mitteilung, die im Hinblick auf die Abhöranlage unanfechtbar ist, macht auf die Frauen einen gewissen Eindruck. Ich
sehe es. Fast unbewußt habe ich mich sehr geschickt verhalten: während des ganzen Gesprächs ließ ich mich in die Enge treiben,
und erst zum Schluß habe ich den Triumph meiner Kontrahentinnen abgeschwächt, indem ich meine einzige Stärke ins Feld führte.
Aber ich spüre diese unbewußte Geschicklichkeit. Ich will jetzt zum Schluß kommen und stehe auf. Verabschiedung. Das ehemals
schwache Geschlecht tritt ab. Lebt wohl, ihr einstigen Objekte, die ihr Subjekte geworden seid. Warum muß meine Demütigung
der Preis eurer Befreiung sein? Wo ist die wirkliche Gleichheit?
Ich setze mich an meinen Schreibtisch. Wie immer in Blueville, überkommt mich ein Gefühl des Irrealen. Es stört mich |136| nicht etwa, daß meine Mitarbeiter den Anstoß zu meiner Selbstkritik gaben. Das ist nicht das Problem. Ich kenne viele renommierte
Mediziner, die Verdienstvolleres leisten würden, wenn sie sich zu solchen Methoden verstünden.
Nein, was mir wirklich zu schaffen macht, ist die Art des hier gegen mich
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