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Die geschützten Männer

Die geschützten Männer

Titel: Die geschützten Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Burage, glaube ich, hat begriffen, daß ich gar nicht so reumütig
     bin.
    Streng wie ein Richter, fährt sie fort: »Doktor, ich habe an Ihnen eine noch subtilere Schamlosigkeit entdeckt. Sobald Sie
     eine Möglichkeit sehen, benutzen Sie Ihre Stimme, Ihre Augen, Ihr Lachen zu Zwecken der Verführung.«
    »Ich denke, Sie halten mich für arrogant!«
    Sie triumphiert.
    »Das sind Sie auch! Einmal sind Sie arrogant, aggressiv und herrschsüchtig, das ist die brutale Form des Sexismus. Dann |132| machen Sie wieder auf Charme, und das ist die verschleierte Form.«
    »Ein Beispiel für Charme?«
    »Jetzt eben, mit Crawford. Und auch als Sie Crawford fragten, ob sie Sie schroff und autoritär finde.«
    Mir bleibt nur noch ein Ausweg: den Unwissenden spielen.
    »Crawford, haben Sie meine Haltung so wie Burage aufgefaßt?«
    Sie lacht.
    »Aber sicher, Doktor. Und ich habe mich darüber sehr amüsiert.«
    »Du hast dich darüber nicht nur amüsiert«, sagt Burage und schleudert ihr einen Blick zu.
    Und Crawford schweigt verblüfft und beißt sich auf die Lippen. Burages blauen Augen entgeht absolut nichts.
    »Auch mir gegenüber spielen Sie den Charmanten«, fährt Burage anklagend fort. »Als ich Ihnen vorhin sagte, daß nicht Dr. Grabel
     den Bericht geschrieben hat, musterten Sie mich schamlos wie ein bloßes Sexualobjekt.«
    Ich bin am Ende meiner Geduld und einem Wutausbruch nahe. Ich habe Lust, Burage eine ungeheure Grobheit, eine nicht zu überbietende
     Obszönität an den Kopf zu werfen. Aber nein, ich darf mein Ziel nicht aus den Augen verlieren: um jeden Preis mit diesen Neopuritanerinnen
     Frieden schließen.
    »Sie irren sich, Burage«, sage ich. »Sie haben mit Feuer gesprochen, und das paßte zu Ihnen, fand ich.«
    »Mein Aussehen geht Sie nichts an.«
    »Aber was soll ich machen? Ich sehe Sie doch. Sie sind schließlich kein Gespenst.«
    »Sie können mich sehen, ohne mir solche Blicke zuzuwerfen. Dr. Grabel sieht mich nie so an.«
    Ich möchte am liebsten mit den Zähnen knirschen, aber ich halte an mich.
    »Vielleicht ist Dr. Grabels ästhetisches Empfinden nicht so entwickelt wie das meine.«
    »Wollen Sie damit sagen, daß Sie mich bewundern?« fragt sie anklagend und fixiert mich scharf mit ihren blauen Inquisitoraugen.
    Mich macht diese Wendung der Diskussion sprachlos.
    »Bevor ich Ihnen antworte, möchte ich eine Bemerkung machen«, |133| sage ich. »Im allgemeinen bin ich für menschliche Schönheit sehr empfänglich. Ich bewundere zum Beispiel Jespersen, ohne deshalb
     gleich ein Homosexueller zu sein.«
    »Seien Sie ehrlich, Doktor. Sie sehen Jespersen nicht auf die gleiche Weise an, wie Sie mich eben angesehen haben.«
    Ich weiche erneut aus.
    »Wie habe ich Sie denn angesehen?«
    »Auf eine Art, die mir zu verstehen gab, daß ich Ihnen gefalle.«
    »Keineswegs«, erwidere ich. »Ich habe Sie voll Bewunderung angesehen, aber es war eine globale Bewunderung, die ebenso Ihrer
     moralischen Persönlichkeit wie Ihrem Äußeren galt.«
    »Und das«, sagt Burage mit abgrundtiefer Verachtung und wendet sich, als wäre damit das letzte Beweisstück vorgelegt, ihren
     Kolleginnen zu, »das sind diese heuchlerischen und verlogenen Komplimente, die die Männer früher den Frauen machten. Sie gaben
     vor, ihre Persönlichkeit anzusprechen, und hatten es in Wirklichkeit nur auf ihren Körper abgesehen.«
    »Was sagen Sie da?« entgegne ich aufgebracht. »Ist etwa meine Frau Anita für mich nichts weiter als ein Sexualobjekt? Habe
     ich vielleicht eine unbedarfte Frau geheiratet, nur weil sie eine gute Figur hatte? Oder eine Puppe mit einem hübschen Gesicht?
     Oder ein elegantes Mannequin? Oder bin ich mit einer intelligenten, gebildeten Frau verheiratet, die fern von mir stets ihrer
     steilen Karriere nachgegangen ist, was Ihnen nicht unbekannt sein dürfte?«
    Diesen Gegenangriff hat Burage nicht erwartet. Sie ist zu aufrichtig, um das nicht zu akzeptieren. Sie schweigt und sieht
     mich an. Ich lese in ihren Augen so etwas wie Sprachlosigkeit.
    »Als Arzt und Mann möchte ich trotzdem darauf hinweisen, daß es zwar unmöglich ist, jeglichen Funken an Sexualität in den
     beruflichen Beziehungen zwischen Männern und Frauen auszulöschen, daß ich persönlich sie aber stets auf ein Minimum reduziert
     habe«, fahre ich fort. »Ich habe meinen Krankenschwestern oder Laborantinnen niemals den Hof gemacht. Ich bin niemals mit
     ihnen ausgegangen und habe sie niemals zum Essen eingeladen.«
    Burage geht wieder

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