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Die geschützten Männer

Die geschützten Männer

Titel: Die geschützten Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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und ohne Entbindung.«
    »Und ohne jegliche männliche Beteiligung! Doktor«, fährt Burage wütend fort. »Ihr Geschlecht kann ruhig von der Bildfläche
     verschwinden! Wir werden ohne euch Babys aus der Retorte bekommen, die die Farbigen für uns austragen!«
    Sie ist außer sich, wie ich sehe. Hochrote Wangen, zitternde Lippen, geballte Fäuste. Sie tritt näher an mich heran und sagt
     mit funkelnden Augen in einem Befehlston, der keinen Widerspruch duldet: »Doktor, geben Sie mir Ihre Hand.«
    Überrascht strecke ich ihr meine Hand hin. Sie ergreift die Hand, führt sie an ihren Mund und beißt mich in den Zeigefinger.
    »Wenigstens das wollte ich machen«, sagt sie leise.
    Dann läßt sie meine Hand los, dreht sich um, wirft mir über die Schulter zu: »Ich komme Viertel vor zwölf wieder«, und stürzt
     mit flatternder Mähne aus meinem Arbeitszimmer.
    Ich bleibe allein zurück. Ich betrachte meine Hand. Burage hat nicht richtig zugebissen. Sie hat ihre Zähne in mein Fleisch
     eingedrückt. Leider wird das nicht lange vorhalten, der Speichel ist schon getrocknet, und schon verschwindet auch die Druckstelle.
     Nur zwei runde, leicht gerötete Punkte bleiben etwas länger zurück: dort, wo die spitzeren Eckzähne tiefer eingedrungen sind.
    Als Burage mittags Viertel vor zwölf zurückkommt, ist das innere Feuer der eisigen Phase gewichen. Zuerst erledigt sie eine
     verwaltungstechnische Frage, die ihr am Herzen zu liegen scheint, dann befragt sie mich über den Besuch der Kommission. Meine
     Antworten scheinen sie anfangs nur wenig zu interessieren; das ändert sich erst, als sie erfährt, daß der Vorgang jede Woche
     wiederholt wird. Das Interview wird daraufhin zum Verhör. Sie will alles über Bess und Ricardo wissen, über ihre Herkunft,
     ihr Äußeres, ihr Verhalten, ihre Schwäche für den Bourbon. Dann muß ich alles noch einmal von Anfang an erzählen, und sie
     prüft jede Einzelheit, wägt jedes Wort ab, macht mir in anklagendem Ton Vorwürfe, wenn ich etwas auslasse (Ah, das mit der
     Marke haben Sie mir nicht gesagt!), kommt zum drittenmal auf die Gespräche zurück, beklagt sich, daß ich sie unvollständig,
     schludrig und nicht im richtigen Tonfall wiedergebe. (Doktor, wo Sie doch eine schauspielerische Begabung haben! Jetzt ist
     der Moment, sie ins Spiel zu bringen!) Da |200| sie mir zusetzt, mich wie eine Zitrone ausquetscht, produziere ich mich. Ich erzähle die Szene nicht, ich spiele sie, ich
     ahme Ricardo nach, seine Leichenbittermiene und seinen starken spanischen Akzent; ich ahme Bess nach, ihre temperamentvolle
     Gutmütigkeit, ihren vulgären Akzent; und im weiteren Verlauf fallen mir Einzelheiten ein, die ich mit Begeisterung und Vergnügen
     darbiete.
    Ich bin fertig. Schweigen. Burage verändert sich zusehends. Ihre Augenbrauen ziehen sich zusammen, ihre blauen Augen werden
     dunkler, die Ohrringe zittern, die Lippen werden hart.
    »Alles in allem haben Sie sich also gut amüsiert.«
    »Wie?« sage ich verdutzt. »Aber Sie wollten doch …«
    »Bravo!« stößt sie zwischen den Zähnen hervor. »Sie hatten ein schönes Abenteuer! Und Sie beschreiben es mit einer Bereitwilligkeit
     …«
    »Aber Sie selbst haben mich doch nach den Einzelheiten gefragt!«
    »Ich habe Sie nicht nach so vielen gefragt! Auf jeden Fall muß ich sagen, daß ich bedient bin! Sie sind ein Poet, wenn es
     sich um Nutten handelt, Doktor! Wie Sie das alles beschreiben! Den riesigen Mund! Das Auftreten, das so ›natürlich‹ ist! Nicht
     zu vergessen, den unaussprechlichen Charme des Ordinären!«
    »Aber schließlich haben Sie, Burage, mich aufgefordert, meinen Bericht etwas zu würzen!«
    »Sie brauchten ihn gar nicht zu würzen! Der Kopf, das Herz ging Ihnen über, von Ihren anderen Organen nicht zu sprechen! Bravo,
     Doktor! Von jetzt an werden Sie wissen, wie Sie Ihre Mittwochabende verbringen.«
    »Aber Bess hat gar nicht gesagt, daß sie nächsten Mittwoch wiederkommen wird.«
    »Wunderbar! Sie kommt jede Woche: aber kommt sie mittwochs? Oder kommt sie donnerstags? Die Ungewißheit in der Gewißheit!
     Eine angenehme Gewohnheit und eine gewisse Spannung! Was will man mehr?«
    »Aber schließlich haben Sie …«
    »Und Sie nennen dieses Weib Bess!«
    »Das ist der einzige Name, den sie mir nannte.«
    »Keine Angst! Sie wird Gelegenheit genug haben, ihre anderen Namen zu nennen und ihre Lebensgeschichte zu erzählen! Sie werden
     schnelle Fortschritte im Vulgären machen.«
    |201| »Burage, Sie

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