Die geschützten Männer
existieren nur als Weibchen ihrer Gattung. Deshalb haben sie keine
Möglichkeit, sich zu entwickeln, interessant zu werden. Anita hat sich entwickelt. Sie mußte sich mit realen Situationen auseinandersetzen
und eine Reihe von Entscheidungen treffen, die sie in ihrem Wesen verändert, sie in gewissem Maße aber auch korrumpiert haben.
Es besteht ein himmelweiter Unterschied zwischen der Anita, die ich vor |197| zehn Jahren kennengelernt habe, und dem geschickten, zynischen Politiker, zu dem sie geworden ist. Ich billige das durchaus
nicht. Aber ich stelle fest: Anita ist eine Persönlichkeit, der es weder an Profil noch an Gewicht fehlt.
Heute habe ich Burage viel zu berichten. Um nicht durch zu lange geheime Zusammenkünfte aufzufallen, einigen wir uns darauf,
daß ich meine Berichte nicht auf einmal gebe, sondern etappenweise: Burage hat den Eindruck, daß unsere Beziehungen Crawfords
Neugierde wecken und daß sie Ansätze zeigt, uns nachzuspionieren.
Ich gehe chronologisch vor und spreche zunächst von Stien und seinem Trick, uns zu informieren. Doch sie weiß das bereits
durch Rita und unterbricht mich voller Ungeduld.
»Was erzeugt er denn?«
»Erzeugen ist das richtige Wort: er erzeugt
clones
.«
»Wie wird das geschrieben?«
»C-L-O-N-E-S.«
»Und was ist das?«
»Tiere, die ihre Entstehung der Technik, nicht der Begattung verdanken.«
»So etwas gibt es?«
»Ja, bei den Fröschen. Sie nehmen ein unbefruchtetes Froschei und entziehen ihm den Zellkern mit den weiblichen Chromosomen,
den Sie durch den Kern einer Darmzelle einer Kaulquappe ersetzen. Wenn alles gutgeht, entsteht eine zweite Kaulquappe, die
eine genaue Nachbildung der ersten ist, ihr Double, wenn Sie so wollen.«
»Wieso ihr Double?«
»Sie und ich, Burage, wir sind ein Gemisch aus den Chromosomen unserer Väter und Mütter. Aber die zweite Kaulquappe wird dieselben
männlichen und weiblichen Chromosomen wie die erste Kaulquappe haben, der man die Darmzelle entnommen hat. Und beide haben
folglich auch dasselbe Geschlecht. Denken Sie daran, daß das Ei des Frosches, dem der Zellkern entzogen wurde, keine Chromosomen
mehr hat.«
»Welchen Nutzen haben wir von einer Kaulquappe, die das Double einer anderen ist?«
»Sie meinen, welchen praktischen Nutzen?«
»Ja.«
»Keinen. Doch wenn wir von den Fröschen zu den lebendgebärenden |198| Tieren übergehen, fängt es an, interessant zu werden. Beispiel: Sie haben ein Rind, das sich durch die Menge und die Qualität
des Fleisches auszeichnet. Es kann sehr profitabel sein, gleichartige Exemplare dieses Rindes zu erhalten, ohne die Unsicherheitsfaktoren
einer Kreuzung mit einer Kuh in Kauf nehmen zu müssen.«
Burage sieht mich an. Sie wirft ihr mahagonifarbenes Haar zurück: ihre Ohrringe (einfache keulenförmige Metallplättchen) beben,
und sie atmet heftig. Ich glaube, sie glüht. Sie ahnt die eigentliche Bedeutung von Stiens Forschungsarbeit.
»Also haargenau das gleiche Rind ohne Bespringen zu erhalten?« fragt sie.
»Ja.«
Sie runzelt die Brauen.
»Oder haargenau die gleiche Kuh ohne jedwedes Zutun eines Bullen, also ohne Besamung?«
»Ja.«
»Nehmen wir keine Kuh, sondern eine Frau«, fährt Burage mit erregter Stimme fort, in der Sarkasmus mitschwingt.
Ich gehe auf das Spiel ein.
»Nehmen wir Bedford.«
»Ja, nehmen wir Bedford!« sagt Burage mit funkelnden Augen. »Was passiert da?«
»Also, wir nehmen zunächst eine Aufwartefrau aus dem Weißen Haus, selbstverständlich eine Farbige. Sie muß jung, gesund und
kräftig sein. Wir nehmen von ihr eine Eizelle und entziehen dieser den Zellkern. In die so präparierte Eizelle setzen wir
den Kern einer Darmzelle Bedfords ein, und wenn die Zelle anfängt, sich zu vermehren, führen wir sie wieder in den Uterus
der Farbigen ein.«
»Perfekt!« sagt Burage und preßt die Fäuste so kräftig zusammen, daß ihre Gelenke weiß werden. »Wieso haben wir nicht eher
daran gedacht? Die Farbige ist nicht die Mutter, versteht sich. Die Farbige hat das Kind einfach nur auszutragen, sie ist
gleichsam eine pränatale Amme. Sie gibt dem Fötus ihre Wärme und ihr Blut, sie trägt ihn neun Monate, und sie wird das Vergnügen
haben, das Kind zur Welt zu bringen! Ein Kind, das nicht
ihr
Baby ist. Das genetisch ein reines Bedford-Baby ist.«
»So ist es, Burage. Und außerdem ist das Baby ein Double |199| von Bedford, ein weibliches selbstverständlich, einzig aus ihr selbst geboren, ohne Schwangerschaft
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